Eine halbe Stunde mehr am Tag arbeiten, schlägt die Industriellenvereinigung vor. Oder gar 41 Stunden in der Woche, damit der Facharbeitermangel bekämpft wird. Der reflexartige "Shitstorm" von Gewerkschaft und anderen linken Gruppierungen blieb nicht aus. Dort propagiert man eher die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Weder das eine noch das andere scheint realistisch. Doch Faktum ist, dass die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden seit Jahren zurückgeht.
Die Vollkasko-Mentalität schadet der Arbeitsmoral
Fehlt es uns in Österreich an Fleiß? Sind wir zu faul, um mehr zu arbeiten, damit wir uns mehr Wohlstand schaffen? Fragt man in mittelständischen Betrieben nach, scheint da ein Korn Wahrheit dabei zu sein: "Die Leute wollen sich nicht mehr anstrengen, daher finde ich niemanden für meinen Betrieb," heißt es. Oder "Wer mit Arbeitslosengeld, Familien- und Wohnzuschuss fast soviel verdient wie mit einem Vollzeit-Job, der wird sich doch nicht 40 Stunden in der Woche abrackern." Diese "Vollkasko-Mentalität" hat sich in Österreich durch die zahlreichen Förderungen in der Corona-Krise und beim danach folgenden Energiepreis-Schock verfestigt: Der Staat wird schon Zuschüsse zahlen, wenn ich mir nichts mehr leisten kann.
Natürlich gibt es sie noch: Die Tüchtigen, die Fleißigen, die Ehrgeizigen, die (freiwillig) weit mehr als 40 Stunden arbeiten, um weiterzukommen, um Karriere zu machen, um mehr Geld zu verdienen. Sie zahlen am meisten (Lohn- und Einkommens-) Steuern, sie konsumieren mehr und halten dadurch die Dienstleistungsbranchen am Laufen.
Unser Wohlstand insgesamt ist in Gefahr
Doch insgesamt ist unser Wohlstand im Sinken, hat vor kurzem Wifo-Chef Gabriel Felbermayr festgestellt: Eine Kennzahl dafür ist das BIP pro Kopf, das seit 2010 rückläufig ist. Davor profitierten wir jahrelang von einem Anstieg. Auch 2025 werden wir den Vor-Corona-Wert aus 2019 noch nicht erreicht haben, so seine Prognose. Ähnlich verhält es sich mit der Inflation, die ebenfalls ein Indikator für eine gesunde (Volks-)Wirtschaft ist: Aktuell haben wir einen der höchsten Werte in der Eurozone. Die Trendwende hat ebenfalls bereits im Jahr 2010 begonnen: Davor lag die Teuerung in Österreich immer um 0,3% unter dem Schnitt. Seither pendelte sie bei 0,7% über dem Wert der Eurozone, seit der Energiekrise sind es zweitweise sogar 2% mehr.
Die hohe Inflation führt zu höheren Lohnabschlüssen, was wieder um die Kosten und damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe negativ beeinflusst. Ein prominenter heimischer Industrieller erklärte das so: "Ich bin um 20% teurer als meine Mitbewerber. Die Hälfte davon kann ich durch bessere Qualität gutmachen, für den Rest muss ich die Kunden überzeugen, dass sie mir langfristig vertrauen." Das könnte man durch eine höhere Produktivität wettmachen, erklären Experten. Das ist Österreich früher gut gelungen. Davon ist aber in den letzten Jahren keine Rede mehr. Sogar im Vergleich zu Deutschland ist sie rückläufig. Bei der Produktivität pro Stunde liegt das an der steigenden Teilzeitquote, aber auch die Produktivität pro Beschäftigten geht der Trend laut "Agenda Austria" in letzter Zeit nach unten.
Zu hohe Steuern, aber auch zu hohe Löhne schaden der Wettbewerbsfähigkeit
Um wieder in die Erfolgsspur zu kommen, werden wir uns mehr anstrengen müssen. Steuern und Löhne im Land zählen zu den höchsten in Europa. Daher müssen unsere Produkte von so hoher Qualität sein, dass sie diesen Nachteil wettmachen. Dafür braucht man noch viel mehr hervorragend ausgebildete Fachkräfte, die dafür sorgen, dass heimische Unternehmen einen Know-How-Vorsprung im internationalen Wettbewerb bekommen. Die Politik hat schon erkannt, dass man diese auch motivieren muss, mehr zu arbeiten. Vollzeit statt Teilzeit lautet das Motto, dafür werden sogar steuerliche Anreize überlegt. Ob das ausreicht, damit mehr Arbeiten und dadurch mehr Verdienen wieder populärer wird?
"In Amerika gibt es viel künstliche Intelligenz und keine Regulierung. In Europa haben wir keine künstliche Intelligenz und viel Regulierung." Diesen Satz sprach ein internationaler Topmanager vor kurzem gegenüber der "Financial Times." Das mag einer der Gründe sein, warum unser Kontinent im globalen Wettbewerb immer mehr ins Hintertreffen gerät. Außerdem seien die Europäer nicht so ehrgeizig. Heißt das auch, dass sie weniger arbeiten? Kommen wir deswegen nur mehr im Schneckentempo voran?
Das mag nicht für alle Staaten in Europa zutreffen (siehe Grafik). Trotzdem ist es auffällig, wen man bei dieser Statistik der OECD zu den Arbeitsstunden weiter unten findet. Denn einen Zusammenhang kann es schon geben, dass Österreich (und Deutschland) aktuell beim Wirtschaftswachstum in der EU die rote Laterne tragen und die geleisteten Arbeitsstunden je Einwohner deutlich niedriger als in anderen Ländern sind.
Das liegt natürlich an der höheren Teilzeitquote in diesen Ländern. Dazu kommt der Trend zu mehr "Work-Life-Balance". Frei übersetzt heißt das, warum soll man mehr arbeiten, wenn man mit weniger Stunden auch genug zum Leben hat. Das klingt für einige verdammt gut, aber es trägt nicht dazu bei, einen Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb attraktiv zu machen. Zum Drüberstreuen gibt es auch noch politische Gruppen, die den Leuten weismachen wollen, sie könnten künftig weniger arbeiten ums gleiche Geld. Finanzieren sollen das die reichen Unternehmer, die genug verdienen, um sich voll bezahlte Teilzeitkräfte zu leisten. Aus diesem schönen Traum sollten wir schleunigst aufwachen.
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