Wenn zwei das gleiche tun, ist es nicht das selbe: Ein Unternehmer oder ein Privater, der seine Rechnungen nur über Kredite zahlen kann, wird irgendwann Konkurs anmelden müssen. Anders sieht es im öffentlichen Bereich aus: Dass ein Staat stets mehr ausgibt als er einnimmt, gilt als selbstverständlich. Daher steigt seine Verschuldung. Den meisten Bürgern ist das eigentlich ziemlich egal. Das Defizit steigt? Aha, weiterblättern oder weiterklicken, Hauptsache, es gibt keine neuen Steuern.
Mit Aufrufen zum Sparen gewinnt man keine Wahlen
Die Politiker scheinen das verstanden zu haben: Mit dem Aufruf zum Sparen oder Ideen für einen ausgeglichenen Haushalt lassen sich keine Wahlen gewinnen. Vergessen ist, dass Europa vor 15 Jahren in eine Schuldenkrise taumelte, die unsere gemeinsame Währung ernsthaft bedrohte. Anfangs sah es so aus, als ob man daraus gelernt hatte. Die lange Phase mit Nullzinsen half allen Staaten, aber vor allem jenen mit hoher Verschuldung. Doch spätestens seit Corona erfolgte vielerorts die Kehrtwende. Die "koste es, was es wolle"- Mentalität verbreitete sich ziemlich rasch.
Defizit-Verfahren in sieben Staaten - Sorgen machen vor allem die Franzosen
Aktuell droht sieben Staaten in der Eurozone ein Defizit-Verfahren durch die Kommission, weil sie die Maastricht-Regeln verletzen. Alarmierend ist, dass darunter so große Volkswirtschaften wie Frankreich und Italien sind. Nach der Wahl und den unklaren Machtverhältnissen im Parlament fragt man sich, ob Paris eine Regierung zusammenbringt, die die aktuelle Schuldenexplosion bekämpfen will. Dazu weisen auch Polen, Belgien, Ungarn, Malta und die Slowakei zu große Haushaltslöcher auf. Österreich ist noch nicht dabei, wird aber nach Meinung vieler Experten die 3%-Grenze beim Budgetdefizit heuer und in den nächsten Jahren überschreiten. Hohe Defizite lassen die Staatschulden explodieren: Kann es sein, dass wir bald in die nächste Eurokrise rutschen? Das werden die Finanzmärkte entscheiden.
Dazu ein kleiner Exkurs: Jedes Land begibt (Staats-)Anleihen, um sich zu finanzieren. Die Zinsen, die es den Investoren bieten muss, damit sie diese Anleihen kaufen, hängen von der Bonität ab. Deutschland als eines der reichsten Länder mit soliden Staatsfinanzen zahlt aktuell 2,5% für eine zehnjährige Anleihe, Österreich 3%. Euro-Mitglieder mit höheren Schulden und entsprechend schlechterer Bonität müssen einen "Risikoaufschlag" in Kauf nehmen, der aktuell noch nicht so hoch ist. So können Italien oder Griechenland ihre Anleihen aktuell um ca. 3,5% platzieren.
Läuft das Defizit eines Landes aus dem Ruder, steigen diese "Risikoaufschläge" signifikant an. Das bedeutet auch, das die Zinszahlungen für die Staatsschulden in die Höhe schnellen und den finanziellen Spielraum einengen. Im Extremfall - wie in der Finanzkrise 2009-2011 - weigern sich die Finanzmärkte, trotz Zinsen im zweistelligen Bereich, diese Anleihen zu kaufen, weil es ihnen zu riskant erscheint. Dann droht, wie damals in Griechenland, ein Staatsbankrott. Dieser wurde durch das Eingreifen der EZB und der anderen Euro-Mitglieder verhindert. Einhelliger Tenor war, dass dies nur möglich war, weil Griechenland ein wirtschaftlicher Zwerg in Europa war. Kippt hingegen eine große Volkswirtschaft wie Italien oder Frankreich, wird es kritisch.
Frankreich und Italien sind die Sorgenkinder bei der Neuverschuldung
Zurück in die Gegenwart: Noch ist es an den Finanzmärkten relativ ruhig, obwohl die Franzosen ein Budgetminus von über 5% aufweisen und Italien nach minus 7% im Vorjahr heuer auch deutlich über 4% liegen wird. Der "Risikoaufschlag" bei zehnjährigen Staatsanleihen steigt zwar, ist aber - im Falle Frankreichs - noch nicht einmal halb so hoch wie 2011. Das liegt daran, dass die Eurozone besser vorbereitet ist: Die Banken haben ihr Eigenkapital kräftig aufgestockt, die EU hat ihren "Euro-Rettungsschirm" im Talon, die EZB trägt als Käufer von Staatsanleihen zur Entspannung auf den Märkten bei.
Es kommen aber enorme finanzielle Herausforderungen auf Europa zu: Als Folge des Ukraine-Kriegen schultert die EU den Großteil der Hilfszahlungen, dazu schnellen überall die Militär-Ausgaben in die Höhe. Die Energiewende hat ebenfalls ihren Preis. Zum Hauptproblem entwickelt sich die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Europas im Verhältnis zu den USA und China. Zu hohe Energiekosten und die immens teure Bürokratie behindern die Unternehmen. Würde die öffentliche Hand die Industrie auf unserem Kontinent in dem Ausmaß subventionieren, wie das China (kommunistisch zentral regiert) oder die USA (Verschuldung 124% des BIP!) machen, würde das den Schuldenberg in der EU (im Schnitt 81% des BIP, in Ö 79%) explosionsartig ansteigen lassen.
Haushalte dürfen nicht aus dem Ruder laufen
Na und? Machen wir das doch, sagen oder zumindest denken das viele Politiker. Da gibt es das schöne lateinische Sprichwort "Quod licet Iovi, non licet bovi." Was dem Herrn (Jupiter) erlaubt ist, darf der Ochse nicht machen. Die Amis mit dem Dollar als Weltwährung und ihrer relativ niedrigen Steuerbelastung stellen eine so große Wirtschaftsmacht dar, dass die Finanzmärkte die hohe Verschuldung tolerieren. Beim europäischen Ochsen - besser bei 27 kleinen Kühen - werden die Investoren kritischer hinsehen. Wenn sie sich von Europa abwenden, weil es zu hoch verschuldet, zu bürokratisch, zu träge ist, dann müssen wir uns warm anziehen. Daher macht es sehr wohl Sinn, alles daranzusetzen, dass die Budgetdefizite und die Haushalte in den nächsten Jahren nicht aus dem Ruder laufen.
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