"Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?" Das soll Konrad Adenauer gesagt haben, wenn es darum ging, frühere Aussagen der neuen Realität anzupassen. Beim Thema Arbeitsmarkt hörten wir sowohl von Wirtschaftsforschern als auch von Politikern seit Jahren nur eines: Die Arbeitslosigkeit ist niedrig und wird auch kaum steigen. Es gibt einen Mangel an Fachkräften und sogar für schlechter Ausgebildete steigt der Bedarf. Das war gestern.
Heute ist es so, dass die Zahlen derjenigen, die auf Jobsuche sind, seit Monaten kräftig ansteigen. Zuletzt meldete das AMS für August 352.000 Personen (+10% zum Vorjahr), die Arbeit suchten. Für einen Sommer, in dem Bau und Tourismus Hochsaison haben, ein sehr hoher Wert. Das laute Wehklagen von Betrieben, die händeringend nach Mitarbeitern suchen, ist deutlich leiser geworden. Im Gegenteil: Man hört vor allem aus der Industrie, dass man mit Personalabbau trotz fehlender Aufträge bislang gezögert hat, weil man Angst hat, Fachkräfte zu verlieren, wenn der nächste Aufschwung kommt.
Wo jetzt überall schon viele Jobs verloren gingen
Doch danach sieht es nicht aus. Selbst die größten Pessimisten wollten nicht glauben, dass nach der Rezession eine Stagnation der Wirtschaft folgt. Die Industrie steckt sogar schon seit fast zwei Jahren in einem Auftragsloch und Besserung ist nicht wirklich in Sicht. Fast jede Woche kommen Meldungen über Personalabbau: 4000 Jobs gingen heuer im Metallbau bereits verloren, jeder zweite Betrieb hat reduziert. Magna Graz, Steyr Automotive, Pierer Industries, Infineon - das sind nur einige der prominenten Namen, die zuletzt eine Reduktion der Belegschaft ankündigten.
Doch das dürfte erst der Anfang gewesen sein. Denn unser größter Wirtschaftspartner ist mit Abstand immer noch Deutschland. In der dortigen Industrie kracht es gewaltig, was nicht ohne Folgen auf die Geschäftspartner und Zulieferer in Österreich bleiben wird. Bei Volkswagen droht erstmals seit 1990 (damals wurden 30.000 Stellen gestrichen) ein kräftiger Abbau, sogar Werksschließungen werden nicht ausgeschlossen. Deutsche Medien veröffentlichen bereits Landkarten mit den jüngsten Zahlen, wo überall im Lande Tausende Industrie-Jobs verloren gehen.
Der Stellenabbau ist Gift für die ohnehin lahme Konjunktur
Das hat Folgen für die Konjunktur: Wer nicht mehr arbeiten kann oder um seinen Job fürchten muss, der konsumiert weniger. Daher ist es kaum verwunderlich, dass trotz hoher Lohnabschlüsse der private Konsum real rückläufig ist und nicht zum Motor eines möglichen Aufschwungs wurde. Dabei waren in kaum einem Land in Europa die Lohnsteigerungen in den letzten Jahren so hoch wie in Österreich. Das hat natürlich Kostendruck in den Betrieben erzeugt, der jetzt zu einer Beschleunigung des Personalabbaus führt.
Der in den letzten Jahren kräftige Anstieg der Beschäftigen hat sich deutlich abgeflacht. Auch die Insolvenzen steuern auf ein Rekordjahr zu, obwohl viele nur von einer "Normalisierung" nach den Corona-Zeiten sprechen, als Kredite und Abgaben gestundet wurden und es daher keine Pleiten gab. Das wird sich am Ende des Tages ebenfalls in den Arbeitslosenzahlen widerspiegeln. Daher wird sich deren Anstieg in den nächsten Monaten fortsetzen. Die Prognosen werden wohl wieder einmal revidiert werden müssen. Das Schreckgespenst der Arbeitslosigkeit ist zurück.
Ohne Wachstum wird sich die Lage am Arbeitsmarkt nicht bessern
Dagegen gibt es nur ein Mittel: Man braucht Wirtschaftswachstum. Experten schätzten früher, dass es ein reales Konjunktur-Plus von 1,5-2% braucht, damit die Arbeitslosenzahlen zurückgehen. Etwas helfen könnte der demographische Aspekt: Da die "Babyboomer"-Generation jetzt sukzessive in den Ruhestand tritt und schwächere Jahrgänge nachkommen, sinkt aus diesem Grund das Arbeitskräftepotenzial. Allerdings wird es durch Zuwanderer wieder aufgefüllt. Das kann man schwer verhindern, indem man Migranten vom Arbeitsmarkt fernhält und so zu illegaler Beschäftigung zwingt oder sie zu Dauerempfängern von Sozialhilfe macht.
Die einzig wirksame Methode zur Gesundung des Arbeitsmarktes ist also die Ankurbelung der Konjunktur. Dazu muss unsere Wirtschaft und vor allem die Industrie wieder wettbewerbsfähiger werden. Bürokratieabbau ist ein Schlagwort, aber das wird nicht reichen. Die Lohnkosten müssen vor allem bei exportlastigen Betrieben gesenkt werden. Das schafft man nicht allein durch Steuersenkungen. Die Produktivität muss wieder erhöht werden, da haben wir zuletzt viel verloren. Man könnte es auch pointierter formulieren: Zuerst muss um weniger Geld mehr gearbeitet werden. Stellt sich der Erfolg ein, werden die Gewinne der Betriebe und die Gehälter der Mitarbeiter wieder steigen und sogar zusätzliches Personal eingestellt werden.
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