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Autorenbildmanfredschumi

Wahlkampf: Beim Faktencheck fallen die meisten Ansagen durch

Eine Initiative gescheiter Köpfe in Österreich nennt sich "mehr Grips". Es geht darum, der Politik Ideen zu präsentieren, wie man unser Land in den nächsten Jahren wirtschaftlich voranbringen kann. Leider ohne Erfolg. Sogar die angesehene "Presse" monierte unlängst, dass Politiker und Medien schon im EU-Wahlkampf "falsch abgebogen" sind: Statt Zukunftsthemen aufzugreifen, wurde wochenlang nur über die Teenager-Kandidatin einer Kleinpartei berichtet. Der Nationalrats-Wahlkampf droht sich auf die Frage "Wie verhindert man Kickl als Kanzler" zu reduzieren. Ähnliches geschah vor kurzem in Frankreich, wo sich alles darauf konzentrierte, die Le-Pen-Fraktion nicht an die Macht kommen zu lassen. Die entscheidenden Fragen, wie das Land angesichts von über 5% Defizit, hoher Verschuldung und riesiger Strukturprobleme regiert werden soll, wurden nicht wirklich angedacht.



Im Wahlkampf wird allzu viel unsinn erzählt


Viele Versprechen, die Geld kosten und nicht zu halten sind


Ähnlich läuft es in Österreich: Vorschläge, die mehr Geld kosten, gehen den Parteien schnell von der Zunge. Steuern senken, Sozialleistungen erhöhen, Lohnnebenkosten reduzieren. Wie das alles bei der bereits angespannten Budgetlage finanziert werden soll bleibt offen. "Unseriös und nicht realistisch" nannte Fiskalrats-Chef Christoph Badelt die "Programme" der Parteien, die allesamt einem Faktenchek nicht standhalten. Ein früherer beliebter Wiener Bürgermeister hat den Satz geprägt, dass "Wahlkampf die Zeit fokussierter Unintelligenz“ sei. Täglich zu sehen an den dämlichen Sprüchen auf den unzähligen überflüssigen Plakatständern. Wählen gehen die Bürger hoffentlich trotzdem (und nicht deswegen!). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird in Österreich keine Partei eine deutliche Mehrheit im September schaffen. Es wird Koalitionen geben müssen, zwischen zwei oder womöglich sogar drei Parteien. Dann reduzieren sich alle Ideen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Das kann sehr leicht zum Stillstand führen.


Koalitionen sind immer der kleinste gemeinsame Nenner


Nicht gerade ermutigend ist das deutsche Beispiel, wo eine Dreier-Koalition aus Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen in den letzten Jahren jeglichen Kredit beim Wähler verspielt und das Land durch Dauerstreit und das Fehlen klarer Entscheidungen in eine Sackgasse manövriert hat: Die größte Volkswirtschaft Europas, einst Konjunkturlokomotive in der EU, wurde zum Schlusslicht. Die Infrastruktur im Land ist zum Teil in einem katastrophalen Zustand, die stolze Industrie verliert ständig an Wettbewerbsfähigkeit.


Ähnlich ist das Bild bei uns: Schon jetzt schaffte es die türkis-grüne Regierung nicht, wichtige Reformen voranzubringen (Arbeitsmarkt, Bildung, Migration). Über heiße Eisen wie z. B. bei den Pensionen traute man sich erst gar nicht drüber. Inflation und Lohnkosten in Österreich zählen zu den höchsten in Europa. Die Steuerbelastung ist jetzt schon rekordverdächtig, und trotzdem schwirren hartnäckig die Ideen für neue Belastungen herum (Erbschafts- und Vermögenssteuern), noch dazu mit völlig unrealistischen Zahlen. Ökonomen und führende Wirtschaftsforscher reden bereits davon, dass die nächste Regierung ein "Sparpaket" braucht, um das hohe Defizit in den Griff zu kriegen und Spielraum für dringende Investitionen in Bildung, Gesundheit und Integration zu bekommen. Da scheint es völlig rätselhaft, wie sich mögliche Koalitionen auf einen sinnvollen Weg einigen können.


Zuviel Bürokratie, zuviele Förderungen, zuwenig Reformen


Österreich hat zu viel Bürokratie, zu viele Förderungen, zu viel Föderalismus und zu viele Politiker, die nur an Wählerstimmen und nicht an das Land denken. Die Diskussionen in den nächsten Wochen werden sich ganz sicher nur darum drehen, wer mit wem warum nicht regieren mag, oder vielleicht doch oder nur wenn der eine nicht dabei ist oder nur unter Bedingungen und so weiter und so fort. Die TV-Sender werden sich mit "Elefantenrunden" gegenseitig überbieten, deren Diskussionsniveau über Bierzelt-Gebrüll kaum hinausgeht. Der Frust vieler Bürger über den täglichen parteitaktischen Unsinn entlädt sich dann, indem viele gar nicht wählen gehen oder ihre Stimme einer Jux-Partei geben. Damit ist weder der Demokratie noch Österreich geholfen.


Es fehlt eine kräftige Stimme der Vernunft, die Probleme beim Namen nennt und Lösungen anbietet, die realistisch und vielleicht sogar mehrheitsfähig sind. Leider ist zu beobachten, dass die wenigen gescheiten Köpfe in der Politik angesichts der oben beschriebenen Fakten jetzt schon den Absprung gesucht haben: Magnus Brunner, ein blitzgescheiter Finanzminister, aber ohne "Hausmacht" in der Partei, wird EU-Kommissar. Hintergrund ist, dass die ÖVP wenig Chancen sieht, auch künftig den Finanzminister stellen zu dürfen. Aus einem ähnlichen Grund zieht es den parteilosen ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher in die Nationalbank. Der kompetente Neos-Wirtschaftssprecher Gerhard Loacker geht in die Privatwirtschaft, auch weil seine Aussichten auf ein Ministeramt selbst bei einer Regierungsbeteiligung seiner Partei gleich null wären.


Müssen wir uns fürchten, was nach den Wahlen im September auf uns zukommt? Zum Trost: Wenn die Erwartungen sehr niedrig sind, kann man nicht groß enttäuscht werden. Ein ambitioniertes Programm, schnelle Entscheidungen und neue Ideen zur Ankurbelung der Wirtschaft? Darauf darf man hoffen, daran glauben tun allerdings die wenigsten.



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