Welches Land in der EU weist zwischen 2019 und 2024 das niedrigste Wirtschaftswachstum und die höchste Inflation aus? Richtig geraten: Österreich. Zwar erwähnen Regierungspolitiker regelmäßig, dass wir "so gut" durch die Krisen gekommen seien. Damit meinen sie wohl, dass der Staat in dieser Zeit unglaublich viel Geld in die Hand genommen hat. Hohe Zuschüsse für Unternehmen, Kurzarbeit für viele Beschäftigte, Eingriff in die Strompreise, Prämien für Haushalte. Doch der Verdacht liegt nahe, dass vieles offenbar nicht die gewünschte Wirkung erzielte. Dafür springt das Budgetdefizit ab heuer wieder nachhaltig über die 3%-Marke, ein sanierter Haushalt war gestern.
Auf die Rezession folgt ein weiteres Jahr ohne Wirtschaftswachstum
Es ist fünf nach zwölf: Selbst das Wifo, das in seinen Prognosen meist vorsichtig optimistisch ist, nimmt sich diesmal kein Blatt vor den Mund. Das ist ein deutliches Alarmsignal. Nach der Rezession im Vorjahr erwartet man für 2024 nun eine Stagnation der Wirtschaft. Andere Prognosen (IHS, OeNB) sind nur um Zehntelprozente besser. Die (laut Umfragen) allgemeine Verunsicherung bei Haushalten und Unternehmen wird als ein wichtiger Grund genannt. Selbst die rekordverdächtig hohen Lohnabschlüsse konnten daran nichts ändern. Ein Blick auf die anderen: Der Weltwirtschaft wird 2024 ein Wachstum von 3% vorausgesagt, in den Industrieländern (OECD) immerhin noch 1,7%, in der Eurozone im Schnitt 0,8%. Die internationalen Krisen kann man wohl nicht mehr dafür verantwortlich machen, dass es bei uns überhaupt nicht gut läuft.
Die Betriebe stöhnen unter hohen Lohnkosten, überbordender Bürokratie und teurer Energie. Sie verlieren daher Wettbewerbsfähigkeit und Marktanteile im Export. Industrie und Bau stecken in einer Rezession. Der private Konsum ist nicht so "angesprungen", wie man das aufgrund der höheren Nettolöhne (Lohnabschlüsse und Abschaffung der kalten Progression) erhofft hatte, stattdessen wird mehr gespart. Wer jetzt aufspringt und mit dem Finger auf die türkis-grüne Regierung zeigt, hat natürlich recht. Allerdings darf stark bezweifelt werden, dass eine andere Koalition besser performt hätte.
Die Unfähigkeit der Regierenden zu echten Reformen
Denn die Reformunfähigkeit heimischer Regierungen zieht sich wie ein roter Faden durch die vergangenen Jahre. Nicht umsonst wiederholen renommierte Experten immer wieder gebetsmühlenartig, wo es fehlt: Bei der Bildung, der Pflege, den Pensionen oder im Sozial- und Gesundheitsbereich ersticken Versuche für vernünftige Änderungen entweder am Zank der jeweiligen Regierungspartner oder am föderalen Irrsinn. Die Quittung kriegen wir jetzt auf den Tisch, während sich in der Endphase der aktuellen Regierung das Land am Gewessler-Bashing oder an den Personalspekulationen rund um EU-Kommissar und Nationalbank ergötzt.
Im September wird gewählt, und was danach kommt, lässt einem schon die Grausbirnen aufsteigen:
mit den Grünen will keiner mehr regieren, sie gelten als Verhinderer mit ideologischen Scheuklappen.
mit der FPÖ eigentlich auch nicht. Die haben keinen Plan, außer Österreich abzuschotten, während draußen in der Welt die Post abgeht. Dazu das ständige EU-Bashing und die abgedroschenen Anti-Migrations-Floskeln.
Die SPÖ produziert täglich neue Ideen für Steuerausgaben, Defizite sind eh wurscht, die Reichen sollen alles zahlen. Ganz einfach, oder?
Die ÖVP hat sich noch immer nicht von der eigenartigen Kurz-Ära emanzipiert und weiß eigentlich nicht, was sie will, außer um jeden Preis weiterregieren. Das könnte uns teuer zu stehen bekommen.
Die Neos haben einige gute Ansätze, doch die werden sie als Steigbügelhalter für eine mögliche Dreier-Koalition bald über Bord werfen.
In Deutschland hat man gesehen, wie Bündnisse von mehreren Parteien in eine Sackgasse führen. Doch die Zeiten, in denen eine Gruppierung oder zwei locker eine Mehrheit im Parlament schaffen können sind in vielen Ländern vorbei. Es mangelt aber an Alternativen. Manche sehnen sich schon nach einer Expertenregierung, die im Parlament Mehrheiten für ihr Programm sichern muss. All diese Varianten werden wohl kaum dazu beitragen, dass sich die Wirtschaftslage in Österreich demnächst deutlich bessert.
Normalerweise profitiert ein Land von einem internationalen Aufschwung, indem die Exporte wieder anspringen. Leider ist unser wichtigster Wirtschaftspartner Deutschland ebenfalls am Boden, die Industrie leidet unter dem gleichen Kostendruck wie bei uns und verliert international ebenfalls an Boden. 2025 soll zwar laut Wifo etwas besser werden, doch "höhere Zuwachsraten als im Euro-Raum sind nicht zu erwarten." Es wird für Österreich verdammt schwer, von dieser Kriechspur wieder wegzukommen.
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