Für viele ist es ein Alarmzeichen, wenn das Budgetdefizit bei einem Mitglied der Eurozone auf über 3% ansteigt. Das ist in Österreich zwar "nur" eine Prognose des Fiskalrates. Aber sie fußt auf den neuesten Daten, die sich gegenüber dem Herbst, als das Budget erstellt wurde, deutlich verändert haben: Ein Prozent weniger Wachstum bedeutet ein um 0,5% höheres Defizit. Das Wifo hat zuletzt seine Vorschau für heuer um 0,7% nach unten revidiert. Dazu wurden neue Ausgaben wie das Wohnbaupaket beschlossen. Der Finanzminister wird Ende April zwar eine höhere Neuverschuldung für 2024 nach Brüssel melden, aber sie soll mit 2,9% haarscharf unter der Maastricht-Grenze bleiben. Doch so weit weg von den 3,4% des Fiskalrates (Grafik) ist das nun auch wieder nicht. Man wird auf jeden Fall weiter neue Schulden machen, was den Spielraum für die künftige Wirtschaftspolitik deutlich einengt.
Bei anderen ist das Haushaltsloch noch viel größer, na und?
Man könnte jetzt sagen, na und? Andere Länder haben höhere Defizite und es geht ihnen nicht schlechter als Österreich. Nehmen wir Frankreich her: 2023 stieg der Abgang überraschend stark auf 5,5 Prozent, die Schuldenquote liegt bei stolzen 111%. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Eine Steuererhöhung wird es zumindest vor den EU-Wahlen nicht geben. In Italien hat man den Fehlbetrag im Haushalt ebenfalls falsch eingeschätzt, statt 5,3% sind es im Vorjahr 7,2% geworden und die Prognosen sagen auch für 2024 einen hohen Wert voraus, und das bei 140% Staatsverschuldung! Doch weder aus Brüssel noch von den Finanzmärkten kamen bisher große Alarmrufe. Das Wirtschaftswachstum in den beiden Ländern ist jedenfalls höher als bei uns. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass es Sinn macht, die Wirtschaft durch staatliche Programme anzukurbeln, die auf Pump finanziert sind. Auch die USA und Japan haben das schon vorgemacht.
Aber auf lange Sicht kann es nicht der Weisheit letzter Schluss sein, die Schuldentragfähigkeit einer Volkswirtschaft bis auf das letzte auszureizen. Denn irgendwann reagieren die Finanzmärkte auf die sinkende Bonität: Dann steigen die Zinsaufschläge für ein verschuldetes Land und auf einmal kann es seine Raten nicht mehr zahlen und der Bankrott droht. Das hat man am warnenden Beispiel Griechenlands gesehen, das eine schmerzliche Sanierungsphase hinter sich hat.
Hohe Defizite und die Verschuldung sind eine Gefahr für die ganze Eurozone
Doch die gesamte Eurozone würde in eine veritable Finanzkrise rutschen, wenn so große Länder wie Italien oder Frankreich von ihrer Schuldenlast erdrückt würden. Daher wird der politische Druck aus Brüssel und Berlin zunehmen, dass man weiter im Süden und Westen zu mehr Budgetdisziplin zurückkehrt. Das bedeutet wohl Sparpakete und höhere Steuern. Es ist aber der einzige Weg, eine europäische Finanzkrise wie 2008 zu vermeiden. Dann könnte sich Europa nämlich die Bemühungen, seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA und China zu erhalten oder zu verbessern, in die Haare schmieren.
Dann sind noch - zumindest auf dem Papier - die Schuldenregeln in der Währungsunion.
Zwar wurde die Einhaltung der Fiskalregeln in der Corona-Pandemie EU-weit ausgesetzt, weil in dieser Zeit die öffentliche Hand mehr Geld ausgeben musste, um Massen an Pleiten und ein Heer von neuen Arbeitslosen zu verhindern. Das ist vorbei, aber für 2024 gilt die 3% Obergrenze wieder genauso wie das Ziel, die Staatsverschuldung bei 60% des Bruttoinlandsproduktes zu begrenzen. Soweit die Theorie.
Zuvor wurde lange diskutiert, ob man die Kriterien nicht anpassen müsste, weil vor allem die 60%-Grenze für viele Staaten unrealistisch und unerreichbar wäre. Man hat sich dann geeinigt, die Regeln "individueller" auszulegen, die Eckpunkte blieben aber. Detail am Rande: Als weltweit einzigartig gilt Jamaika. Dort hat man es wirklich geschafft, die Staatsverschuldung binnen zehn Jahren von zuvor 140% des BIP zu halbieren, allerdings mit Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst und Steuererhöhungen...
Die Vorteile einer Wirtschaftspolitik mit stabilen Finanzen
In der Tat bringt es schon einige Vorteile, wenn man seinen Haushalt und die Verschuldung unter Kontrolle hat: Man muss für seine Außenstände viel weniger Zinsen zahlen und hat dadurch mehr Spielraum bei den öffentlichen Ausgaben. Finanzmärkte und Ratingagenturen bewerten das Land positiv, das ist gut für Investitionen und (ausländische) Betriebsansiedlungen. Österreich zählt so wie Deutschland zu jenen Euro-Mitgliedern, die stabile Staatsfinanzen als Teil einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik sehen.
In der Praxis hatte Österreich, das sich vorher jahrelang um stabile Finanzen bemüht hat, seit 2020 immer ein höheres Defizit als die 3% (Grafik). Seit der Präsentation des Budgets für 2024 im letzten Herbst ist aber keine Rede mehr davon, dass man sich einem ausgeglichenen Haushalt (=Nulldefizit) in nächster Zeit annähern will. Inzwischen sieht es so aus, dass man (noch ohne "Wahlzuckerln", die sicher noch kommen werden!) heuer und 2025 über der 3%-Grenz liegen wird. Als Folge wird die Staatschuld wieder Richtung 80% steigen. Das wäre alles nicht so schlimm, wenn unsere Wirtschaft dafür die Rezession bald hinter sich lassen könnte.
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