Fast schon täglich neue Streiks. Die Wirtschaft steckt in einer hartnäckigen Rezession. Die erfolgsverwöhnte Industrie kann den Abwärtstrend nicht stoppen. Die zerstrittene Regierung wird in den Medien abgewatscht. Und im Fußball gewinnen sie auch schon lange nichts mehr. Doch bleiben wir ernst: Es kann uns nicht egal sein, was in unserem größten Nachbarland abgeht. Denn wir sind abhängig.
Die Konjunktur-Lokomotive fährt aufs Abstellgleis
Es ist noch gar nicht lange her, da galten unsere Nachbarn als die Konjunkturlokomotive Europas. Doch mittlerweile ist ihr ordentlich der Dampf ausgegangen. Die Infrastruktur, angeführt von einem desolaten Bahnnetz, ist teilweise veraltet. Vom einstigen deutschen Exportwunder ist nicht viel übrig geblieben. Die Leitbetriebe leiden unter hohen Strompreisen, die stolze Autoindustrie steht unter Druck der chinesischen Konkurrenz aus Osten und von Tesla aus dem Westen. Mangelnde Bautätigkeit sorgt für hohe Miet- und Hauspreise. Die Energiewende stockt, Stromleitungen fehlen. Die Atomkraftwerke wurden abgedreht, dafür wird fast ein Drittel der Energie aus Kohle erzeugt.
Die Hoffnung, dass sich die Wirtschaft, die 2023 um 0,3% geschrumpft ist, rasch erholen wird, dürfte sich nicht erfüllen, sagen die Experten.
Die Deutschen sind die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt
Doch ist das nicht ein Jammern auf hohem Niveau? Die Stimmung im Land scheint schlechter als die Lage. Die aktuelle Streikwelle bei den Öffis, Lufthansa & Co., dazu die Bauernproteste, das trägt alles dazu bei. Dabei gäbe es auch Positives: Die Staatsfinanzen sind in Ordnung, die Arbeitslosigkeit noch immer relativ niedrig und die AfD wird wohl kaum die nächste Wahl gewinnen. Und falls es jemand vergessen hat: Deutschland ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, hinter den USA und China, noch vor Japan. Als "kleiner Bruder" profitierte Österreich jahrelang von der engen Verflechtung mit dem Nachbarn. Daher kann es uns nicht egal sein, wie es dort weitergeht.
Wie eng Österreich mit Deutschland verflochten ist
Unser Handelsvolumen mit Deutschland beträgt rund 160 Milliarden Euro. Alleine die Exporte belaufen sich auf über 60 Milliarden Euro, das entspricht fast 30 Prozent aller Ausfuhren der österreichischen Wirtschaft. Mit 56,6 Milliarden Euro ist die Bundesrepublik der wichtigste Investor in Österreichs. Umgekehrt flossen schon 36,4 Milliarden Euro an österreichischen Direktinvestitionen hinaus. Beispiele: Wir sind ein großer Zulieferer für die deutsche Autoindustrie. Heimische Konzerne wie Strabag, Wienerberger oder Porr spielen eine große Rolle in der deutschen Baubranche. Umgekehrt haben BMW oder Infineon große Produktionsstätten in Oberösterreich und Kärnten, Handelsriesen wie Rewe oder Hofer und Lidl haben deutsche Eigentümer. Die zahlreichen Urlaubsgäste, die von Bayern bis Hamburg und Berlin zu uns kommen, füllen noch immer die Kassen der heimischen Hoteliers und sind sowohl im Sommer als auch im Winter der wichtigste Devisenbringer unseres Tourismus.
Die Probleme sind verblüffend ähnlich
Erstaunlicher Weise ist die Stimmung in Österreich bei weitem nicht so schlecht, obwohl unsere Wirtschaft mit minus 0,9% im Vorjahr sogar stärker geschrumpft ist als deutsche. Wir hatten dafür deutlich höhere Lohnabschlüsse, dazu kamen steuerliche Erleichterungen wie die Abschaffung der kalten Progression und die Valorisierung von Zuschüssen. Das führt heuer zu höheren (realen) Einkommen und erhält die Kaufkraft. Doch viele Probleme bleiben da wie drüben die selben: Zu hohe Energiepreise schaden der Wettbewerbsfähigkeit, vor allem in der Industrie. Der Einbruch der Bautätigkeit im Wohnbau führt wegen der Knappheit des Angebots zu steigenden (Miet-)Preisen. Fachkräftemangel, Pflegenotstand, der Umgang mit der Migration - das alles wird uns noch lange beschäftigen.
Verblüffend ist, wie rasch die deutschen Gewerkschaften seit neuestem die Streikkeule auspacken. Vielleicht ist das auch ein Ventil, um die angestaute Wut gegen "die da oben" loszuwerden. Doch das Resultat ist ähnlich wie bei den Klimaklebern: Großer Ärger bei denen, die unter dem Ausfall von Verkehrsmitteln oder neuen Staus leiden. Frust bei den Aktivisten und Streikenden, weil sie am Ende nur wenig bis nichts bewegen können.
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