Der Druck auf die Notenbanken
- manfredschumi
- vor 3 Tagen
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Jedes Land hat seine eigene Zentralbank. Sie druckt die Landes-Währung, aber ihre Hauptaufgabe ist es, für Preisstabilität und wirtschaftliches Gleichgewicht zu sorgen. Das geschieht unter anderem durch die Festlegung der Leitzinsen, die z. B. bestimmen, zu welchem Zinssatz die Banken sich Geld von der Zentralbank (Notenbank) borgen. Das hat Auswirkungen auf Wirschaftswachstum und Inflation. Ist Geld billig, fördert das die Kreditvergabe (und die Schuldenaufnahme des Staates), es hilft der Konjunktur, könnte aber die Inflation in die Höhe treiben. Sind die Leitzinsen höher, wird die Teuerung zwar gebremst, Kredite und Finanzierungen werden dafür teurer. Die Balance für die Preisstabilität zu finden, die weder das Wachstum abwürgt noch die Inflation befeuert, ist eine heikle Aufgabe für die Volkswirte in den Zentralbanken.
Heute sind sie daher in modernen Industriestaaten unabhängig von der Politik und den Regierungen, damit sie bei ihren Entscheidungen keine Rücksicht auf politische Einflüsterer nehmen müssen. Das war nicht immer so, früher standen Zentralbanken oft im Einfluss des Finanzministeriums bzw. der Regierungsspitze. So wurden etwa die Zinsen im Zweiten Weltkrieg bewusst niedrig gehalten, um die Waffenproduktionen günstig finanzieren zu können. Der Preis dafür war eine hohe Inflation. In den USA ist das "Federal Reserve System" (kurz: Fed) eigentlich seit 1951 unabhängig. Doch verschiedene Präsidenten versuchten auch schon früher, durch Gesetze die Unabhängigkeit zu schwächen.
Das ändert sich erst um 1980, als die Inflationsraten zweistellig waren. Der neue Fed-Chef Paul Volcker konnte diese durch radikale Zinserhöhungen von zuvor 13% auf 6% und 1983 dann auf 3,2% reduzieren. Der Preis dafür war eine (kurze) Rezession, danach brummte die Wirtschaft wieder. Seit damals agiert die Fed wirklich unabhängig. Zwar werden sieben Mitglieder des "Boards" vom Kongress bestellt, zusätzlich haben fünf Präsidenten der 12 regionalen Federal Reserve Banks ein Stimmrecht. In der Praxis hat der Vorsitzende (aktuell Jerome Powell) ein starkes Gewicht.
Auch die Zentralbank der Eurozone wird immer wieder stark kritisiert
Ähnlich ist es in Europa. Die EZB (Europäische Zentralbank) wurde 1995 gegründet und übernahm die Zentralbank-Funktion für den Euroraum. Sie ist wirklich unabhängig, der/die Präsident/in wird vom Europäischen Rat für acht Jahre ernannt. Die Zinsentscheidungen fällt formal der Gouverneurs-Rat, dem alle Gouverneure der Euro-Länder und die sechs Mitglieder des EZB-Boards angehören. Auch hier hat der Vorsitzenden großes Gewicht. Mario Draghi (2011-2019) wurde nachgesagt, dass er die Zins- und sonstige Entscheidungen mehr oder weniger alleine getroffen hat, unter Christine Lagarde (seit 2019) geht es demokratischer zu.
An politischer Einflüsterung mangelt es auch in Europa nicht. Länder mit stabilen Haushalten sind in der Regel für eine restriktive Geldpolitik mit Zinsen, die eine hohe Inflation verhindern. Stark verschuldete Staaten wünschen sich eine expansive Haltung der Notenbank, damit sie leichter neue Schulden aufnehmen können. Die jahrelange "Nullzinspolitik" der EZB sorgte für einen immensen Anstieg der Neuverschuldung in vielen Ländern, erst durch den explosionsartigen Anstieg der Preise in Folge des Ukraine-Krieges erfolgte eine Kehrtwendung. Doch eine politische Einmischung in die EZB-Entscheidungen gilt als nicht vorstellbar und würde dem Ansehen des Euro stark schaden.
Trumps Attacken auf die Fed schaden dem Vertrauen in das US-Finanzsystem
Dass Donald Trump seit Monaten trommelt, dass die Fed endlich die Zinsen senken soll, hat einen simplen Grund: Seine hemmungslose Klientel-Politik mit Steuersenkungen für Reiche treibt die ohnehin bereits hohe Staatsverschuldung der USA in neue Höhen. Allein die Zinsen für die Staatsanleihen kosten aktuell bereits 1,2 Billionen (1200 Milliarden) Dollar im Jahr. Angesichts des von Experten befürchteten weiteren starken Anstiegs der Verschuldung könnten niedriger Zinsen helfen, die Ausgaben dafür nicht ganz so drastisch steigen zu lassen. Trumps Plan ist, das Fed-Board mit Leuten zu besetzen, die ihm politisch hörig sind und seine Wünsche erfüllen. Damit wäre es mit der Unabhängigkeit der Zentralbank wieder vorbei. Die Gefahr einer wieder stark steigenden Inflation wäre das eine.
Doch das viel größere Problem ist, dass das Vertrauen in das US-Finanzsystem nachhaltig erschüttert würde. Die Folge wären fallende Aktienkurse, steigende Aufschläge auf amerikanische Staatsanleihen und ein weiterer Kursverfall des Dollar. Davor warnen führende Volkswirte in den USA und in der Finanzwelt. Das könnte eine Negativ-Spirale auslösen, deren Auswirkungen noch gar nicht absehbar sind. Die Frage wird sein, ob das Fed-Board, das zumindest auf dem Papier aus erfahrenen Volkswirten besteht, sich derart instrumentalisieren lassen wird.
Negative Beispiele über den fatalen Einfluss der Politik auf Zinsentscheidungen gibt es genug: So hat etwa der türkische Präsident Erdogan seiner Notenbank mehrfach Zinserhöhungen verboten. Die Folge war und ist eine Rekordinflation, die im Mai 2024 ein Hoch von 73 (!) Prozent erreichte. Inzwischen ist sie immer noch auf 33%. In Russland erlaubte es Putin zu Beginn des Ukraine-Krieges, dass die Zentralbank wegen der immensen Teuerung die Leitzinsen auf 20% erhöhte. Inzwischen musste sie auf politischen Druck wieder einiges zurücknehmen. Doch unterm Strich leidet das Land jetzt dafür unter hohen Zinsen und hoher Inflation (zuletzt 8,8% offiziell, Experten haben aber Zweifel an der Qualität der offiziellen Zahlen).
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