
Der Journalismus befindet sich auf den ersten Blick betrachtet in einer Krise. Das hat zum einen handfeste wirtschaftliche Gründe. Die Auflagen gehen zurück, weil die jüngere Generation kaum mehr Printprodukte liest und die Abonnenten (die älteren unter uns...) erodieren. Dazu kommt, dass die Internet-Giganten immer mehr Werbung absaugen, die früher in die klassischen Medien ging. Die Folge sind massive finanzielle Probleme der Verlage, sie bauen Personal ab. In manchen Ländern wie der USA gab es bereits ein massives Zeitungssterben. Dass die Qualität des Journalismus leidet, wenn die redaktionellen Kapazitäten halbiert werden - das war in den letzten Jahren in vielen Ressorts österreichischer Medien der Fall - versteht sich von selbst.
Der Fluch des unreflektierten Online-"Journalismus"
Zum anderen hat sich eine neue Form von "Journalismus" etabliert, die diesen Namen teilweise nicht verdient. Die Texte verlagern sich ins Internet. Dort sind sie entweder überhaupt gratis oder kosten einen Bruchteil von dem, was man für ein Printprodukt ausgeben muss. Dafür kann heute jeder sein Online-Medium gründen. Die Texte kann er von anderen Medien abschreiben. Das ist einfach, billig und spart Personal. "Auffällige" Stories verbreiten sich in Sekundenschnelle auf allen möglichen Plattformen, auch wenn sie inhaltlich falsch sind. Recherche hat sich damit erübrigt bzw. beschränkt sich auf ein paar Klicks. Eine weitere Entwicklung: Ich warte schon auf die erste "Zeitung", die ausschließlich von KI geschrieben wird. Fehler im Text? Völlig egal, viele merken es nicht, andere zucken die Achseln und klicken weiter.
Der Missbrauch für politische Zwecke geht voran
Dazu kann man "Journalismus" herrlich für politische Zwecke missbrauchen. Das funktioniert nicht nur im Putin-Land oder in China. Ideal ist, wenn sich ein reicher Gönner findet, der das ganze auch noch finanziell unterstützt. So kann ein notorischer Lügner wie Donald Trump auf seinen eigenen Kanälen verbreiten, was er will. Anhänger von Verschwörungstheorien und anderem Nonsens werden auch in Österreich bedient - siehe "AUF1" und andere Plattformen. Auf den Social-Media-Kanälen von Tik-Tok bis X kann man ungestraft Unsinn verbreiten. Das Schlimme daran ist, dass es genug Menschen gibt, die auch den größten gedruckten Schwachsinn noch glauben und ihr politisches Verhalten danach ausrichten. Dass es Kanäle gibt, die die Abschaffung der Fakten-Checks auf Facebook (ein Kniefall vor Trump) als "Sieg der Meinungsfreiheit" bejubeln, kann man nicht als Medien-Satire abhaken.
Viele Verlage haben sich schon an die neue Realität angepasst: Es wird weniger recherchiert, Faktenchecks sind eher die Ausnahme. Man macht es sich einfach, indem man vor dem Bildschirm sitzt und das Netz nach "interessanten" Geschichten durchsucht und diese dann "klaut". Nur wenige nehmen sich die Zeit, selbständig zu recherchieren, Fakten zu checken und persönliche Gespräche statt Pressetexte einfließen zu lassen.
Einig sind sich aber alle darin, dass Pressefreiheit und Journalismus ein Eckpfeiler jeder demokratischen Gesellschaft sind. Daher ersetzen die Regierungen den Verlagen mit Förderungen zumindest zum Teil jene Einnahmen, die sie durch die eingangs geschilderte Entwicklung verlieren. Ob man damit ein massives Zeitungssterben verhindert kann, ist noch nicht geklärt. Ob man damit nicht in Wahrheit auch den Pseudo-Journalismus gewisser Portale fördert, ist eine große Gefahr.
Journalistische Qualität wird sich am Ende immer durchsetzen
Doch es gibt ein großes Bedürfnis nach Qualitäts-Journalismus: Fakten erklären, einordnen, kommentieren und analysieren, dazu Service-Elemente für das tägliche Leben. Dafür sind die Leser durchaus bereit, etwas zu zahlen. Die New York Times hat weltweit bereits rund zehn Millionen (!) Digital-Abonnenten, die gedruckte Auflage beträgt nur mehr ein paar hunderttausend Stück. In der ersten Amtszeit von Donald Trump hatte sie einen immensen Zulauf an neuen Lesern. Natürlich macht es nur der riesige US-Markt möglich, Monats-Abos um ein paar Dollar zu verkaufen. In Europa ist es ungleich schwieriger, eine relevante Größenordnung an bezahlten Online-Abos zu erreichen. Doch der "Spiegel" oder die "Zeit" kommen auch jeweils schon auf rund eine halbe Million (bezahlter) Digital-Abos. Auf dem kleinen österreichischen Markt kann man von solchen Zahlen nur träumen. Das Geschäftsmodell, das dem auch hierzulande gefragten Qualitätsjournalismus das finanzielle Überleben sichert, ist noch nicht gefunden. Lieber schreit man laut nach einer höheren Presseförderung. Dies führt aber zwangsläufig zu einer gewissen Abhängigkeit von den jeweils Regierenden. Es ist ein ungutes Gefühl, wenn man weiß, dass die Politik es in der Hand hat, über das Überleben von Zeitungen und TV-Sendern zu entscheiden. Daher ist es verständlich, dass derzeit bei uns die Aufregung groß ist, wenn eine neue "Medienpolitik" zwischen FPÖ und ÖVP verhandelt wird. Der echte Journalismus wird auch das überleben.
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