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Warum die Kammern so unbeliebt sind

Eigentlich muss man Harald Mahrer dankbar sein. Denn ohne seine erratischen Auftritte wäre wohl kaum jemand auf die Idee gekommen, eine längst fällige Diskussion ernsthaft zu führen: Über den Kammerstaat und seine krakenartigen Strukturen. Natürlich braucht es Interessenvertretungen. Doch dazu braucht nicht jede Berufsgruppe einen Riesenapparat aus neun Landes- und einer Bundeskammer, vollgepfropft mit sinnlosen Funktionärs-Figuren, finanziert von viel zu hohen (Zwangs-) Beiträgen. Wir reden viel über Reformen in Österreich, über zuviel Bürokratie und Doppel- und Mehrfachgleisigkeiten. Da schlummert im Kammerstaat enormes Einsparungs-Potenzial.


sie schwimmen im geld und vergessen auf reformen

Beginnen wir mit den Wirtschaftskammern. Die Mehrzahl wird hier absichtlich verwendet, denn wir haben neun davon in den Ländern plus eine für ganz Österreich. Was machen die eigentlich alle? Sie vertreten - so heißt es - die Anliegen der Wirtschaft, also der Betriebe. Haben die in Tirol andere Probleme als in der Steiermark? Muss es in Wien neben der Bundeswirtschaftskammer noch eine eigene Wiener Kammer geben? Auf jeden Fall haben wir hier zehn (!) Präsidenten/innen. Die meisten agieren das ganze Jahr über in der Regel unauffällig. Eröffnungen, Empfänge, Tagungen und Sitzungen sind ihr Metier, darüber kann man schmunzeln oder auch nicht. Gar nicht zum Schmunzeln ist es, dass sich diese Herrschaften Gehaltserhöhungen von bis zu 50 Prozent genehmigten. Wobei die Unterschiede noch immer gewaltig sind: In Wien und NÖ kassieren die lokalen Kammerhäuptlinge 14.000 Euro brutto im Monat, in OÖ und Tirol "nur" um die 10.000 Euro.


Die mangelnde Transparenz bei den WKO-Finanzen


Möglich ist das alles nur in einem intransparenten Selbstbedienungsladen. Die angeblich demokratische Legitimation ist eine Farce. Denn nur 25% der Unternehmer gehen zur Kammerwahl, wohl wissend, dass die absolute Mehrheit des VP-Wirtschaftsbundes einzementiert ist. Nur Insider wissen, wie reich die Wirtschaftskammern wirklich sind, denn nach außen dringt nur wenig. Da gibt es neben den Länderkammern noch die Fachverbände, die über ihr eigenes Budget verfügen. Früheren Berechnungen zufolge (neue sind nicht veröffentlicht) geht es hier um 220 Millionen Euro im Jahr, zusätzlich zu über 900 Millionen € aus den Kammerumlagen 1 und 2 (Kurios: Es gibt in den Bundesländern unterschiedliche Beitragssätze...). Die gesamte Organisation verfügt über Rücklagen von rund zwei Milliarden Euro. Das ist weit mehr als ein Jahresbudget und daher nicht zu rechtfertigen.


Niemand will das alles sofort abschaffen, schließlich ist die WKO z. B. Kollektivvertragspartner für Lohnverhandlungen oder verfügt über ein Netz an sehr hilfreichen Außenhandels-Stützpunkten. Doch ein kräftiges Abspecken würde nicht nur die Betriebe finanziell entlasten (Kammerbeiträge sind Lohnnebenkosten!), sondern auch dem Image der Interessenvertretung guttun. Ein wichtiger Schritt wäre die Abschaffung der teuren Landespräsidenten, einfache Büros in den Ländern müssten reichen.


Neun Länder, neun Präsidenten, neun Gehälter...


Das Phänomen, das alles neun Mal bezahlt werden muss, damit die Funktionäre sich austoben können, gibt es natürlich nicht nur in der WKO: Auch die Arbeiterkammern leisten sich zehn Präsidenten samt entsprechendem Stab. Mit den hohen (Brutto-)Lohnerhöhungen der letzten Jahre kletterten auch die AK-Einnahmen kräftig, darüber wird öffentlich kaum geredet. Das gleiche System findet man auch bei den "kleineren" Kammern,


Ein spezieller Fall sind die Ärztekammern - auch hier neun plus eins. Gespeist werden sie ebenfalls durch Zwangsbeiträge. Würde man eine Umfrage machen, welche Interessenvertretung bei den eigenen Mitgliedern besonders unbeliebt ist, wäre die Ärztekammer wohl auf den Spitzenplätzen. Ich habe noch nie einen Arzt getroffen, der positives von seiner Kammer erzählt. Deren föderale Struktur ist auch ein Hauptgrund dafür, dass man es bislang nicht geschafft hat, die Arzthonorare in Österreich zu vereinheitlichen. Denn die verhandelt jede Landeskammer selber, sehr zum Ärger der ÖGK (Österreichische Gesundheitskasse). Zweitere hat zwar auf dem Papier die Zusammenlegung der neun Länderkassen gemacht und so tatsächlich eine Menge an Funktionären eingespart. Doch Kenner des Systems beklagen, dass an den Strukturen (Doppelgleisigkeiten) nichts verändert wurde: Man habe nur statt Gebietskrankenkassen ÖGK draufgeschrieben, sonst sei alles beim alten geblieben, heißt es. So funktioniert es im Kammerstaat Österreich...

 
 
 

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