Österreich hat sich entschlossen, einen Sparkurs einzuschlagen, um das enorme Budgetdefizit wieder einzudämmen. Das soll finanziellen Spielraum bringen, um mit geeigneten Maßnahmen für die Wirtschaft den Weg aus der Rezession zu unterstützen. Als erste Schritte wurden gleich einmal Steuererhöhungen beschlossen und einige wenige Einsparungen. Konkretes über weitere Ausgabenkürzungen bleibt vorerst im Dunkeln. Ganz abgesehen davon, dass die zu erwartende Revision der Konjunkturprognosen für 2025 die Lage noch einmal verschärfen wird.

In Deutschland ist die Situation insofern ähnlich, als auch dort das dritte Jahr hintereinander das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu schrumpfen droht. Allerdings geht man dort einen völlig anderen Weg: Man hat sich gerade auf das größte Schuldenpaket aller Zeiten geeinigt. Einerseits will man mit einem "Sondervermögen" von 500 Milliarden Euro endlich die marode Infrastruktur im Lande sanieren. Andererseits verlangt die aktuelle politische (Welt-)Lage, dass auf einmal aberwitzige Summen in die Rüstung investiert werden.
Neue Berechnungen gehen davon aus, dass der Schuldenstand der Bundesrepublik in nächster Zeit jährlich (!) um 180 Milliarden Euro steigen wird. Schon 2027 werden die Zinszahlungen für die deutsche Staatsschuld 47 Mrd. € ausmachen. Aber das wird natürlich einen positiven Effekt vor allem für die Industrie haben und für neues Wachstum sorgen.
Wir starten schon mit einem zu hohen Schulden-Rucksack
Können sich unsere Nachbarn das leisten, ohne dass die Finanzmärkte unruhig werden und die EU ein Defizitverfahren eröffnet? Es sieht momentan so aus, als ob das möglich wäre.
Denn die künftige CDU/CSU/SPD-Regierung startet aufgrund der (zu) sparsamen Haushaltsführung der Vergangenheit von einem Schuldenstand von nur 63% des BIP. Österreich hingegen liegt bereits heute um die 80%. So hoch war Deutschland noch im Jahr 2010, hat aber seither den Haushalt erfolgreich saniert und wird laut ersten Schätzungen trotz der eingangs erwähnten Mehrausgaben binnen fünf Jahren noch klar unter den 80% liegen. Zwar verteuern sich die Zinszahlungen und die Aufschläge für deutsche Staatsanleihen steigen, doch das "AAA"-Rating auf den Finanzmärkten ist nicht in Gefahr, heißt es. Ganz abgesehen davon, dass der Haushalt auch dann noch wesentlich solider dasteht als etwa in Frankreich oder Italien, wo die Verschuldung jetzt schon deutlich über 100% des BIP beträgt. Und in den USA geht es Richtung 130 Prozent.
Jetzt könnte man natürlich den Schluss ziehen, dass man hierzulande einen ähnlichen Weg einschlagen sollte: Also Steuern senken und Investitionen ankurbeln, völlig egal wie hoch die Schulden noch steigen. Das ist nicht nur wegen der unterschiedlichen finanziellen Ausgangslage ziemlich unrealistisch. Österreich steht bereits auf der Watchlist der Ratingagenturen und der EU-Kommission, weil sich das Budgetdefizit zuletzt so verschlechtert hat. Traurig, aber auch wahr: Einem kleinen Land gegenüber ist man nicht so tolerant. Deutschland ist immerhin die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt (vor Japan und Indien) und wir sind ein Zwerg. Zum Trost: Wir werden profitieren, wenn die Konjunktur bei unserem Nachbarn, der unser größter Wirtschaftspartner ist, wieder anzieht.
Die fehlenden Strukturreformen rächen sich jetzt besonders
Doch der Spielraum, sich höhere Schulden "leisten" zu können, ist bei uns nicht da. Die aktuellen Zinszahlungen sind nicht das größte Problem bei den Finanzen. Vielmehr sind es die stark steigenden Ausgaben für ein teures, nicht nachhaltiges Pensionssystem und hohe Sozialkosten, um nur einiges zu nennen, was den Spielraum jeden Finanzministers einengt. Hier rächt sich das, worauf Wirtschaftsforscher und Budgetexperten seit Jahren hinweisen: Die fehlenden strukturellen Reformen in Österreich sind die Ursache, dass der Staatshaushalt aus dem Ruder läuft. Die unausgesprochene Einigkeit der neuen Koalition besteht darin, dass die SPÖ eine echte Pensionsreform verhindern durfte und dafür die ÖVP nicht einmal im entferntesten an eine Föderalismus-Reform denkt. Die Neos haben offenbar realisiert, dass sie als kleinster Partner zu schwach sind, um das durchsetzen zu können. Also gibt es in Wahrheit ein "weiter wie bisher" . Das ist nur dadurch zu ertragen, dass uns dafür ein politischer Berserker und Orban-Freund wie Kickl erspart geblieben ist.
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