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Autorenbildmanfredschumi

Welche Chancen bei den Pensionsreformen verspielt wurden

Jeder Fünfte in Österreich ist heute bereits über 60. In zehn Jahren wird es schon jeder Vierte sein, das wären 2,2 Millionen Menschen. Die Tendenz ist auch in den Folgejahren steigend, weil die Lebenserwartung zunimmt und die Geburtenrate abnimmt. Die Mittel, die der Staat jedes Jahr in die Hand nehmen muss, um den Ruhestand dieser größten Wählergruppe zu finanzieren, steigen rasant in Richtung 30 Milliarden Euro pro Jahr.



Viele chancen wurden bei den letzten reformen verspielt


Kein Wunder, dass alle angesehenen Wirtschaftsexperten seit Jahren monieren, dass unser Pensionssystem nicht nachhaltig ist und reformiert gehört. Denn angesichts der kommenden finanziellen Herausforderungen (Klimawandel, Pflege, Migration usw.) kann es wohl nicht darauf hinauslaufen, dass 25-30% der gesamten Budgeteinnahmen ausschließlich dazu verwendet werden, die Ruhegenüsse der Beamten und die Lücke in der Alterssicherung der anderen Berufsgruppen zu finanzieren.


Die guten Ideen wurden politischen Kompromissen geopfert


Es gab in Österreich schon unzählige Pensionsreformen, alleine drei seit dem Jahr 2000.

Doch am Altar des politischen Kompromisses wurden viele gute Ideen geopfert. Das ist einer der Hauptursachen, warum viele Chancen verspielt wurden und nun wieder nachgebessert werden muss.

Ein Blick auf die größten Sünden der Vergangenheit:

  1. Ein Mann geht heute im Schnitt mit 62 in den Ruhestand, eine Frau mit 60, das offizielle Antrittsalter wird erst 2033 für beide gleich sein. Diese Unterschiede gibt es sonst in Europa nirgends mehr. Alle Appelle von Experten, die Gleichstellung vorzuziehen, prallten an der Politik ab.

  2. Über Jahrzehnte hat man bei uns den Leuten die Vorzüge eines möglichst frühen Pensionsantritts angepriesen und das auch noch kräftig finanziell unterstützt. Als Beispiel sei hier die unsägliche "Hacklerregelung" erwähnt, die vor allem gut verdienenden Angestellten lange Zeit ermöglichte, mit 60 ohne Abschläge zu "gehen". Als man die Frühpensions-Arten gesetzlich erschwerte, wurden im Gegenzug wieder Maßnahmen erfunden, um ein neues Tor für den frühzeitigen Antritt zu öffnen, z. B. mit der "Schwerarbeiterpension".

  3. Die Harmonisierung zwischen ASVG- und Beamtenpensionen wurde zwar für Bundesbedienstete (die 2005 oder später pragmatisiert wurden) realisiert. Doch in den Ländern folgte das erst mit Verspätung oder teils gar nicht. Die Berechnung des "Ruhegenusses" über das Pensionskonto (normal für alle Jahrgänge ab 1955) gibt es in einigen Bundesländern noch immer nicht.

  4. Im Gegensatz zu anderen Ländern hat man bei uns darauf verzichtet, die steigende Lebenserwartung bei Pensionsantritten der Zukunft zu berücksichtigen. Man bezieht seine Rente also immer länger. Daher wird der Staat vom Problem der immer höher werdenden Zuschüsse immer wieder "eingeholt".

  5. Es muss nicht immer alles vom Staat kommen: Der sinnvolle Versuch, über eine staatliche Prämie ("Zukunftsvorsorge") den Aufbau einer privaten Zusatzpension zu fördern, begann 2003 verheißungsvoll. Millionen Verträge wurden abgeschlossen. Kurz danach hat man das Produkt kaputt gemacht, indem man die jährliche Prämie kürzte und die Vorschriften für die Veranlagung so rigide gestaltete, dass keine vernünftigen Erträge mehr erzielbar waren.


Im internationalen Vergleich hat Österreich noch immer eine der höchsten "Nettoersatzraten", also wieviel Prozent seines Aktivbezuges man in der Rente bekommen kann. Auch die jährlichen Pensionserhöhungen können sich sehen lassen, speziell vor Wahlen gab es schon so manche außertourliche Verbesserung. Denn niemand möchte es sich mit der größten Wählergruppe verscherzen.


Reformen sind nur mit langen Übergangsfristen möglich


Ob es möglich sein wird, nach den Wahlen eine Reform mit langen Übergangsfristen zu beschließen, hängt vom politischen Willen ab. Mit der SPÖ bzw. den Gewerkschaften gibt aber es eine große Gruppe, die Eingriffe im Prinzip ablehnt. Sie argumentieren, dass es "immer schon so war", dass der Staat einen gewissen Teil der Pensionskosten aus dem Budget finanziert. Dieser Wert liege bei knapp unter 14% des BIP und steige nur sehr langsam. Der Haken an dem Argument: Was die Wirtschaftsleistung eines Landes mit den Pensionskosten der öffentlichen Hand zu tun hat ist schleierhaft. Unterm Strich ist es eine Tatsache, dass das Budget immer stärker von den Pensionskosten belastet wird.


 Um das zu ändern, kann man a) die Pensionsbeiträge erhöhen oder b) künftige Pensionen kürzen. Beides ist politisch kaum durchsetzbar, daher bleibt nur c) länger arbeiten. Für eine Anhebung des Antrittsalters braucht es aber lange Übergangsfristen. Daher wäre ein Beschluss in dieser Sache schon längst überfällig. Doch bis jetzt stoßen entsprechende Appelle aller Experten bei den zuständigen Politikern auf taube Ohren. Für die nächste Regierung wird das eine große Herausforderung.


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