Es gibt einen Trend in jedem demokratischen Land der Welt, wo die Bürger zu den Urnen schreiten: Die Menschen sind - höflich formuliert - sehr unzufrieden mit den Regierenden. Darunter sind nicht wenige, die für populistische Parolen rechts und links der Mitte empfänglich sind und dafür sorgen, dass FPÖ, AfD und andere einen Aufschwung erleben. Man neigt generell dazu, Politiker für alles verantwortlich zu machen, was einem nicht passt: Die Teuerung, die vielen Migranten, die hohen Wohnungspreise, sogar den Klimawandel. Die Wahrheit ist, dass sich an diesen Problemen nicht so viel ändern wird, egal wer regiert.
Wer am Ende regiert, darauf haben die Bürger keinen Einfluss
Wahlen sind trotzdem wichtig, weil wir Bürger entscheiden, wer in unserem Staat in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle spielen wird. Doch mit einer Illusion können wir gleich aufräumen: Wer in der Regierung sitzen wird, darauf hat die Entscheidung an den Urnen aktuell keinen Einfluss. Denn keine Partei wird soviel Stimmen bekommen, dass sie alleine Macht ausüben kann. Es sind daher Koalitionen nötig. Wie die aussehen, das kann der Souverän Volk in keiner Weise mitbestimmen. Sehen wir uns Beispiele aus dem Ausland an: In Frankreich gibt es seit Juli drei etwa gleich starke Blöcke im Parlament, die sich gegenseitig nicht ausstehen können, dazu kommen noch diverse Kleinparteien. Dort ernennt der Präsident den Regierungschef und dieser wiederum seine Minister aus den verschiedenen Lagern. Bei nächstbester Gelegenheit kann er mangels Mehrheit im Parlament wieder gestürzt werden. Die großen Probleme des Landes, das (deutlich höher als Österreich) schwer verschuldet ist und sich bei jedem Versuch einer Reform gleich mit Streiks und Straßenkämpfen herumschlagen muss, werden so wohl kaum gelöst werden.
In Deutschland hat die "Ampel"-Koalition aus drei ungleichen Parteien das Land in die Rezession geführt. Die Industrie droht mit Abwanderung, Arbeitsplätze gehen verloren, die Bundesländer in der ehemaligen DDR sind im Würgegriff der rechtsradikalen AfD. Die einstige Konjunktur-Lokomotive Europas droht zum wirtschaftlichen Schlusslicht in der EU zu werden. Das spürt auch Österreich, schließlich sind unsere nördlichen Nachbarn unser wichtigster Wirtschaftspartner, es gibt sehr viele Zulieferer für die deutsche Industrie.
Die Lage bei uns im Land ist ähnlich: Es gibt Rezession, Reformstau bei wichtigen Themen, schlechte Stimmung unter den Menschen wegen der Teuerung und den anderen bereits erwähnten Problemen, die überall in Westeuropa präsent sind. Das Rezept der Türkis-Grünen war in den letzten Jahren immer das gleiche: Egal ob Corona- oder Energiekrise, man versuchte mit Steuergeldern möglichst viele Menschen direkt zu unterstützen (auch jene, die es gar nicht brauchen...). Dann sind sie zufriedener und geben mehr Geld für den Konsum aus, sodass ein Teil der ausgegeben Milliarden wieder über Verbrauchssteuern zurückkommt und dazu die Wirtschaft angekurbelt wird. Leider hat das nicht funktioniert.
Trotz Abschaffung der Kalten Progression, neuer Förderungen, großzügiger Geschenke an die Pensionisten und den höchsten Lohnabschlüssen in der EU fällt Österreich genau so zurück wie Deutschland. Die Konsum-Euphorie nach Corona ist verpufft, "Angstsparen" (so Wifo-Chef Gabriel Felbermayr) statt ausgeben ist angesagt. Die Arbeitslosigkeit steigt, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft sinkt. Welche Partei hat da jetzt die besten Rezepte, um uns aus der Krise zu führen?
Parteien wollen in erster Linie nur ihre Klientel bedienen
Das grundsätzliche Problem in Österreich ist, dass jeder hauptsächlich "seine" Klientel bedienen will. Die ÖVP darf nichts machen, was ihre Landeshauptleute verärgert (damit ist ein Großteil möglicher Reformen bereits gestorben, bevor sie andiskutiert werden). Die SPÖ glaubt aktuell allen Ernstes, mit Steuererhöhungen für Reiche und noch weniger arbeiten ein Land und ein Budget sanieren zu können. Die in Umfragen führende FPÖ hat außer den üblichen rechten Parolen ("Festung Österreich") wenig zu bieten, würde aber wahrscheinlich alles mitmachen, wenn man sie regieren lässt. Neos und Grüne haben für ihre Anhänger gute und zum Teil auch sinnvolle Ideen. Sie sind aber zu klein, um einer nächsten Regierung wirklich ihren Stempel aufdrücken zu können.
Egal, wer nächsten Sonntag wieviel Prozente bekommt, es droht ein langwieriger und mühsamer Prozess bis zur Bildung einer Koalition mit eine Mehrheit im Parlament. Dass bei all den aktuellen Gegensätzen ein "großer Wurf" mit einem ambitionierten Programm herauskommt, halten sowohl Politik- als auch Wirtschaftsexperten für so gut wie ausgeschlossen. Eine ausgabenseitige Budget-Sanierung (Stichworte Förderungen, Pensionsreform, Sozialausgaben, Bürokratie-Abbau) wird man in dieser Parteienlandschaft wohl kaum schaffen. Geld für weitere Wohltaten ist keines mehr da, außer man pfeift auf die Maastricht-Regeln und macht noch mehr Schulden.
Zum Trost mag dienen, dass Politiker und nationale Regierungen vieles nicht beeinflussen können. Wenn sich Deutschland erholen würde, profitieren wir mit. Migration und Klima sind globale Probleme, wo wir als kleines Land bei Lösungsversuchen mitmachen können, aber nicht zu den Entscheidern gehören. Noch immer zählt Österreich zu den reichsten Ländern in Europa, auch wenn die Wirtschaftsleistung pro Kopf zuletzt gesunken ist. Geht es so weiter, werden wir etwas von unserem Wohlstand wieder abgeben müssen. Das zu verhindern, daran könnte die nächste Regierung zumindest versuchen zu arbeiten...
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