Die Zeit der Rückblicke, Ausblicke und vermeintlichen Einblicke zum Jahreswechsel ist vorbei. Es reagiert wieder die beinharte wirtschaftliche Realität. Leider haben alle namhaften Experten, Journalisten und Social-Media-Akrobaten (mich eingeschlossen :)) Recht behalten, die von Anfang an große Zweifel hatten, dass mit den handelnden Personen eine ambitionierte Reformpartnerschaft aus ÖVP, SPÖ und Neos möglich ist. Die Dreier-Koalition in Österreich ist gescheitert, weil keiner der Akteure bereit war, über den eigenen Schatten zu springen. Sie haben nicht verstanden, dass ein guter Kompromiss darin besteht, dass am Ende alle irgendwo unzufrieden sind.
Stattdessen wird es nun wohl schnell gehen mit Blau-Schwarz. Herbert Kickl wird jede Menge Kreide fressen, um möglichst schnell Bundeskanzler zu werden und die ÖVP nicht zu sehr zu demütigen. Man wird jene Punkte, die in Wahrheit unvereinbar sind wie die Haltung zur EU oder zum Ukrainekrieg, mit irgendwelchen Floskeln ausklammern oder im Koalitionspakt gar nicht erwähnen. Um die internationale Reputation Österreichs braucht man sich diesmal kaum zu sorgen, denn mittlerweile sind viele Regierungen in Europa deutlich rechtslastig geworden: In Italien steht Frau Meloni an der Spitze, die aus einer postfaschistischen Partei kommt. In Frankreich geht im Parlament nichts mehr ohne Marine Le Pen und ihre Rechts-Truppe, in den Niederlanden sitzt der Rechtspopulist Wilders seit Mai in der Regierung.
EU-Verfahren zum Defizit ist kaum zu verhindern
Ein EU-Defizit-Verfahren ist in Österreich wohl kaum mehr zu verhindern, wie in Frankreich oder in Italien werden Kommission und die EZB bei der Sanierung des Budgets mitreden. Dabei ist es noch nicht so lange her, da haben wir naserümpfend auf jene hinuntergeblickt, die es nicht schaffen, ihre Staatsfinanzen unter Kontrolle zu halten. Man kann es auch positiv sehen: Der Druck von außen verhindert endlose Streitereien unserer Regierungspartner und zumindest einer davon wird die "Schuld" für unpopuläre Maßnahmen "Brüssel" zuschieben, ganz so wie es Populisten seit Jahren tun.
Die bisherigen bekannten Ideen für Einsparungen der ÖVP (Abschaffung des Klimabonus, Einschränkungen bei Bildungskarenz und Förderungen) und die populistischen der FPÖ (Migranten das Geld kürzen, keine Teilnahme am EU-Skyschild) werden keinesfalls den geforderten zweistelligen Milliardenbetrag bis 2028 bringen. Man wird sich noch auf Steuererhöhungen einigen müssen, bei Immobilien, der Mineralölsteuer oder gar der Mehrwertsteuer. Ob das in den nächsten zwei Wochen überhaupt gelingt, ist fraglich. Denn am 21. Jänner wird beim EU-Finanzminister-Treffen das Defizit von Österreich diskutiert.
Nachhaltige Reformen in weite Ferne gerückt
Die von namhaften Experten von Felbermayr bis Badelt und den Neos geforderten nachhaltigen strukturellen Reformen, die sich auch langfristig positiv aufs Budget auswirken, werden auch unter Blau-Schwarz schwierig bis unmöglich sein. Denn vieles (z. B. bei Bildungs- oder Gesundheits-Themen) bedarf einer Zweidrittel-Mehrheit im Parlament. Ob die Neos im Ernstfall da wirklich mitspielen und der Regierung einen Erfolg ermöglichen, wird man sehen. Eine Föderalismus-Reform oder auch die oft geforderte Finanzierung aus einer Hand im Gesundheitswesen wird wie immer an den ÖVP-Ländern scheitern. Stattdessen wird es jede Menge Populismus geben, garniert mit unrealistischen Zahlen.
Ob der Wirtschaftsstandort Österreich davon profitiert, dass der Orban-Freund und Putin-Fan Kickl als Bundeskanzler agiert, darf kräftig bezweifelt werden. Dass seine Partei in Wahrheit keine Wirtschaftskompetenz hat, ist ein Faktum, hat die Wahlerfolge aber nicht verhindert. Wir brauchen jetzt nicht darüber zu philosophieren, warum die SPÖ es nicht geschafft hat, den linken Träumer Andreas Babler wegzuputschen und durch einen "Realo" zu ersetzen. Am Ende hat jedes Volk die Regierung, die es verdient. Das hat der französische Philosoph Joseph de Maistre schon im 18. Jahrhundert erkannt und bis heute Recht behalten.
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