Langsam geht es wieder bergauf mit der Wirtschaft, heißt es in der neuen Frühjahrsprognose der EU-Kommission. Doch halt - einige sind nicht dabei bei diesem leichtem Aufschwung, der Europa heuer im Schnitt ein Wachstum von 1,0 Prozent bringen soll. Da ist an erster Stelle Deutschland zu nennen. Mit nur 0,1% Zuwachs bei BIP erwarten die meisten Experten eine Stagnation. Nicht viel besser sieht es in Österreich aus, ein mageres Plus von 0,3% wird derzeit von den meisten Wirtschaftsforschern erwartet. Nur für Estland, Schweden und Finnland sind die Vorhersagen ähnlich trist. Zu hohe Energiepreise, steigende Arbeitskosten aufgrund der hohen Lohnabschlüsse und der zunehmende internationale Wettbewerb werden hier wie dort als Ursachen genannt. In Osteuropa oder sogar im Süden (Griechenland, Spanien) werden teilweise für 2024 mehr als 2% reales Plus beim Bruttoinlandsprodukt erwartet.
Arbeitskräftemangel wird zum Dauerproblem der Betriebe
Eine Hauptursache für die anhaltende Schwäche sehen sowohl Experten als auch viele Unternehmer im Arbeitskräftemangel. Der demografische Wandel bringt die Babyboomer in Pension und es kommen nur geburtenschwache Jahrgänge nach. Verstärkte Migration kann dieses Problem nur bedingt lösen. Denn gesucht werden trotz der Flaute in der Wirtschaft überall Facharbeiter, und um die herrscht mittlerweile in ganz Europa ein G´riss. IT-Spezialisten werden mittlerweile aus der ganzen Welt zu uns geholt. Bei Infineon Austria z. B. arbeiten Mitarbeiter aus 79 (!) Nationen. Beim Mangel an Pflegekräften soll ein neues Abkommen mit Indonesien Abhilfe schaffen.
Dazu ein bisschen Sarkasmus: Ein Glück im Unglück ist, dass aufgrund der schwachen Konjunktur vor allem in der Industrie derzeit weniger Personal benötigt wird. Es werden sogar Mitarbeiter abgebaut, aber noch immer kann eine sechsstellige Zahl an Stellen nicht besetzt werden. Im Gewerbe sieht es ähnlich aus: Der Maler-oder Tischlerbetrieb, der Aufträge ablehnen muss, weil er nicht genügend Leute hat. Der Wirt, der früher Sperrstunde macht, weil er keinen Koch findet. Das sind keine Einzelfälle. Im Falle eines echten Wirtschaftsaufschwungs würde sich das Problem noch erheblich verschärfen. Daher stellt sich die Frage, ob wir nicht in Österreich mehr Potenzial für zusätzliche Fachkräfte haben.
Wo könnte fehlendes Personal für die Wirtschaft herkommen?
In der Theorie gibt es vier Möglichkeiten:
Die vielen Teilzeitjobs (30% aller Arbeitnehmer!). Wieviele kann man motivieren, in Vollzeitbeschäftigung zu wechseln?
Die Frauenerwerbsquote (70%) könnte im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch höher sein.
Auch ein späterer Pensionsantritt (Anreize für Ältere?) wäre eine Möglichkeit.
Die schnellere und bessere Integration bereits im Lande befindlicher Migranten in den Arbeitsmarkt.
Lässt sich das in der Praxis auch umsetzen? Im Prinzip natürlich schon, doch da gibt es gewaltige Hürden. Die sind ein Mix aus gesellschaftlichen Veränderungen, fehlendem politischen Wille und strukturellen Problemen.
Woran es beim Facharbeiter-Mangel im Detail krankt
Ad 1): Es gibt sowohl Frauen als auch Männer, die nicht Vollzeit arbeiten wollen (Stichwort Work-Life-Balance). Bei jenen, die sich eine Aufstockung der Arbeit vorstellen können, gibt es zwei Hindernisse: Zum einen der ungenügende Ausbau der Kinderbetreuung in Österreich. Zum anderen das Steuersystem, das niedrige Einkommen stark bevorzugt. Während man bis knapp über 18.000 Euro Einkommen im Jahr keine Lohnsteuer zahlt, schlägt darüber die Progression voll zu. Daher kann es passieren, dass jemand für längeres Arbeiten zwar brutto z. B. 1500 € mehr im Monat erhält, aber netto sind es nur einige Hunderter. Dann fängt man zu rechnen an...
Ad 2): Das geht es vor allem um das bereits erwähnte Problem der Kinderbetreuung als auch darum, dass Frauen leider noch immer oft schlechter bezahlt werden als Männer. Bessere Löhne würden die Motivation erhöhen. Die Frauenerwerbsquote ist sowohl in Deutschland (75%) als z. B. auch in Skandinavien höher als bei uns.
Ad 3): Solange es Firmen gibt wie z. B. viele Banken, die Mitarbeitern spätestens mit 60 nahelegen, in den Ruhestand zu treten, wird es schwierig, den Pensionsantritt an die gesetzliche Grenze von 65 anzunähern. Andere wiederum können auch Abschläge von der Pensionshöhe nicht davon abbringen, zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu "gehen". Auch fehlt es an (steuerlich attraktiven) Möglichkeiten, gesundheitlich Angeschlagene oder jene, die bereits im Ruhestand sind, weiter zu beschäftigen. Doch der generelle Trend in Europa geht aufgrund der höheren Lebenserwartung überall in Richtung einer Anhebung des Pensionsalters.
Ad 4): Sprache lernen, Ausbildung verbessern, Integration so rasch wie möglich: Das wünschen wir uns von Migranten. Für diejenigen, die bereits im Land sind, verhindern die geltenden Gesetze oft, dass gut integrierte Menschen (offiziell) Arbeit annehmen. Das ist ein Riesenproblem. Doch die nächsten Regierungen werden abseits der üblichen Polemik nicht daran vorbeikommen, bei diesem Thema neue und bessere Rahmenbedingungen zu schaffen.
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