Die Baubranche belegt bei allen Insolvenz-Statistiken in der Regel einen der vorderen Plätze. Eine Zeitlang wurde das ausgeblendet bzw. rückte in den Hintergrund. Solange die Zinsen gleich null und Immobilien als Anlageobjekte gefragt waren, funktionierte das Geschäftsmodell von Bauträgern hervorragend, obwohl manche so gut wie kein Eigenkapital hatten: Sie konnten billig von der Bank Geld borgen. Sie kauften ein Grundstück. Sie begannen mit der Vermarktung der dort zu errichtenden Wohnungen oder Wohneinheiten. Aus den Anzahlungen der Käufer finanzierten sie den Bau. Verzögerungen spielten keine Rolle, denn der Kredit war billig und die Immobilienpreise sowie die Mieten gingen ständig nach oben.
Zehn Zinserhöhungen binnen 18 Monaten
Von dieser Win-Win-Situation ließen sich nicht nur die Signa-Manager und wohlhabende Investoren blenden. Es war zugegeben auch wirklich nicht vorauszusagen, dass die Inflation in Folge des Ukraine-Krieges dermaßen rasch in die Höhe schoss, dass die Notenbanken binnen 18 Monaten zehn Mal (!) die Leitzinsen erhöhen mussten. Die Kosten für laufende Finanzierungen, die ohne Fixzins abgeschlossen wurden, haben sich in dieser Phase verdrei- oder vervierfacht. Dazu kam natürlich, dass die Banken bei der Vergabe von Neukrediten auf der Bremse standen, wenn der Kunde ohnedies bereits Schwierigkeiten hatte, seinen laufenden Verpflichtungen nachzukommen. Zu guter Letzt ging auch die Nachfrage zurück, weil potenzielle Käufer darauf warten, dass Immobilien vielleicht doch billiger werden.
Die große Marktbereinigung bei privaten Immobilienentwicklern
Dieser Cocktail aus negativen Entwicklungen wird in den nächsten Monaten auch in Österreich zu einer Pleitenwelle unter privaten Immobilienentwicklern führen. Das bestätigen Branchenkenner wie z.B. Porr-Chef Karlheinz Strauss oder Strabag-Aktionär und Signa-Investor Hanspeter Haselsteiner. Ein anderer Großer im Geschäft, Erwin Soravia, sprach im neuen "Trend" sogar davon, dass rund zwei Drittel der Immo-Entwickler vom Markt verschwinden könnten. Fallende Preise, Zurückhaltung der Wohnungskäufer, die schwache Konjunktur und die damit verbundenen Einkommensverluste in vielen Bereichen sorgen dafür, dass viele Bauträger auf ihren Immobilien sitzen bleiben. Wer keinen ausreichenden Polster an Eigenkapital hat, wird früher oder später den Gang zum Insolvenzrichter antreten müssen.
Wer bei den Pleiten auf der Strecke bleibt
Die Leidtragenden sind zum einen Gewerbetreibende, deren Rechnungen offenbleiben. Zum anderen sind das Anleger: Bei der Signa sind es "nur" Milliardäre. Kleinere Immo-Entwickler haben oft auch Crowdfunding-Kapital von Kleinanlegern dabei, das bei einer Insolvenz futsch ist. Auf Plattformen berichten Anleger, dass 80% aller Rückzahlungen bereits verspätet sind. Dieses Risiko muss man halt einkalkulieren, wenn einem für sein Kapital 8-10% Rendite pro Jahr versprochen werden...
Die große angekündigte Bauoffensive der Regierung, die auch Steuererleichterungen für Häuslbauer und Wohnungskäufer vorsieht, hat zur Folge, dass erst recht niemand am Markt aktiv wird, solange diese Maßnahmen nicht in Kraft treten. Das wird noch einige Monate dauern. Selbst wenn bis dahin die von vielen ersehnte Zinswende begonnen hat und die Notenbanken die Zügel wieder etwas lockerer lassen, wird das die Kreditzinsen heuer wohl nur marginal verbilligen.
Das Wohnangebot könnte sich weiter verknappen
Es wird daher zu einer radikalen Veränderung auf dem Bauträger-Markt kommen. Das wiederum könnte das Angebot an privaten Wohnbauten verknappen, weil es auf einmal viel weniger Anbieter gibt. Die Gemeinnützigen und die öffentliche Hand alleine können die Lücke nicht schließen, die da entsteht. Denn der Bedarf an Wohnraum wird weiter steigen, weil der Trend zu mehr Ein-Personen-Haushalten bei steigender Bevölkerungszahl anhält. Da wird sich die Politik etwas einfallen lassen müssen, damit die Zahl der privaten Immobilienentwickler wieder ansteigt und schließlich wieder mehr gebaut wird.
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