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Autorenbildmanfredschumi

Schulden, Schulden, nichts als neue Schulden - die bewährte Lösung für Budgetprobleme in der EU und in Österreich

Man hat sich also geeinigt in der Eurozone auf neue Schuldenregeln. Das sind im Prinzip die gleichen wie vorher, an die sich niemand gehalten hat. Nur sollen sie jetzt "individuell" ausgelegt werden, weil bekanntlich jedes Land anders ist. Man darf durchaus gespannt sein, wie das in der Praxis funktionieren wird. Eines ist gewiss: Es wird auch in Zukunft noch viel mehr ausgegeben als eingenommen, und das auf allen Ebenen. Österreich hat die Konsolidierung des Budgets verschoben. Die EU hat die Verschuldung gerade neu entdeckt und in Deutschland wird die "Schuldenbremse" auf einmal heftig kritisiert.


Der Schuldenstand steigt weiter, um die Budgetprobleme zu lösen


Eine Zeitlang waren tiefe Löcher im Staatshaushalt durchaus verpönt. Als warnendes Beispiel galt die Finanzkrise um 2008. Griechenland und andere Euro-Mitglieder wurden von den Kapitalmärkten abgestraft, weil sie zu hohe Defizite und einen hohen Verschuldungsgrad hatten. Je schlechter die Bonität eines Landes ist, desto höher sind die Zinsen, die es für seine Anleihen zahlen muss, mit denen sich eine Regierung Liquidität verschafft. Als Folge verschärft sich der Druck auf das Budget. Im Extremfall Griechenlands wollte auf einmal niemand mehr deren Anleihen kaufen, auch nicht zu hohen Zinsen.


Eine Staatspleite in Europa drohte. Die EU und die EZB schritten ein, um das Zusammenbrechen eines Euromitglieds und womöglich der gemeinsamem Währung zu verhindern. Danach unternahmen alle in der EU große Anstrengungen zur Sanierung ihrer Haushalte. Unterstützt wurde das durch eine relativ gute Wirtschaftslage und der Nullzinspolitik der EZB, die vor allem den Staaten mit hoher Verschuldung half. Die Folge: Zwischen 2012 und 2019 sanken die öffentlichen Defizite in der Eurozone von weit über 3% auf im Schnitt nur mehr 0,6%.


Die heilsame Wirkung der Eurokrise auf die Budgets währte nicht lange


Dann kam die Corona-Krise. Zur Rettung von Betrieben und Arbeitsplätzen war es legitim, dass die öffentliche Hand tief in die Staatskasse griff. In Österreich z. B. schnellte das gesamtstaatliche Defizit 2020 auf über 7% in die Höhe, damit waren wir kein Einzelfall. Doch aus der Absicht, danach wieder auf einen normalen "Budgetpfad" zurückzukehren, wurde nichts. Ukrainekrieg und Energiekrise machten einen Strich durch die Rechnung. Das führte auch zum explosionsartigen Anstieg der Inflation. Auf einmal landeten die staatlichen Haushalte in einer Doppelmühle: Einerseits hatten sie auf einmal hohe Ausgaben, um die Krisen und die Folgen der Teuerung zu bekämpfen. Andererseits musste die Notenbank zur Bekämpfung der Inflation die Zinsen erhöhen, sodass die Finanzierung durch neue Schulden auch noch viel teurer wurden. Da eine Lösung zu finden bedarf einiger Anstrengung. Auf die hat man nicht nur in Österreich vorerst verzichtet.


Auch die EU hat die Schuldenspirale als Lösung entdeckt


Im Gegenteil: Blicken wir in die EU, die nichts anderes ist als der kleinste gemeinsame Nenner aller Mitglieder. Bis vor kurzem war es der Kommission nicht erlaubt, Fremdmittel aufzunehmen, für die dann alle Staaten haften. Doch Corona-Krise, die enormen Kosten des Klimawandels, das Migrationsproblem und andere Herausforderungen haben zu einem Umdenken geführt. Um das alles zu finanzieren, wurde der "Next Generation EU"-Fonds erfunden. Zusätzlich zum normalen Haushalt der Gemeinschaft darf die Kommission von 2021 bis 2027 insgesamt 750 Milliarden Euro an Krediten aufnehmen (Grafik), um einen "Aufbauplan" nach den Krisen zu finanzieren.



Auch die EU macht neue Schulden, für die haften die Mitglieder
Die 750 Milliarden Euro sind Schulden der EU, für die alle Mitgliedsstaaten haften.

Ab 2028 müssen die Kredite dann bedient werden, das soll bis 2058 dauern. Schon im ersten Jahr müssen dafür 30 Milliarden Euro (immerhin 16% des EU-Budgets) aufgewendet werden. Natürlich hatte man die Idee, dass dieses Geld aus "Gegenfinanzierungen" kommen soll. Denn blöderweise haben die Kosten für die Ukrainekrise und die hohen Zinsen das ganze inzwischen ganz schön verteuert. Die Kommission hat immerhin einige Vorschläge gemacht für drei neue Einnahmenquellen:


  1. 25% aus dem Erlös des Handels mit CO2-Zertifikaten

  2. Geld aus der Besteuerung multinationaler Konzerne und globaler Digitalriesen

  3. eine Importsteuer für Güter aus Ländern, in denen höhere Emissionsschwellen gelten.


Doch es war fast zu erwarten, dass es auf einem Gipfel vor Weihnachten keine politische Einigung bei diesem Thema gab. Seit Wochen wird hinter den Kulissen weiterverhandelt. Die Kommission soll doch bei den Ausgaben kürzen, verlangen einige. Klingt einfach, ist es aber nicht. Die Mittel zur Bekämpfung der illegalen Migration kürzen? Wohl kaum. Den Bauern die Subventionen streichen? Politisch völlig undenkbar. Die Ukraine im Regen stehen lassen? Dann würde Putin den Krieg gewinnen...


Gibt es eine andere Lösung als die Staatsfinanzierung durch neue Schulden?


Doch eines steht fest: Für die gemeinsamen Schulden des Wiederaufbau-Fonds haften die Staaten gemeinsam. Bleibt nur zu hoffen, dass jedes Land seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Die prinzipielle Frage lautet, ob der politische Wunsch, dass die EU ihren Mitgliedern in schwierigen Situationen finanziell unter die Arme greift, die Aufnahme neuer Schulden rechtfertigt. Kritiker sprechen gerne vom Wandel in eine "Schulden-Union", was nicht im Sinne der EU-Verträge sei. Allerdings muss man sich die Frage stellen, was die Alternative wäre.


Die USA sind mit mehr als 100 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung (BIP) verschuldet und haben ständig die Diskussion über eine Ausweitung der Obergrenze. In Japan sind es sogar 260 Prozent. In der Eurozone liegt die durchschnittliche Verschuldung "nur" bei knapp über 80 Prozent des BIP. Es scheint jedenfalls so, dass Wachstum, Wohlstand und die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft ihren Preis haben. Den finanzieren die Regierungen durch immer neue Kredite (=Schulden), deren Bedienung sie den kommenden Generationen aufbürden. Eine Abkehr von dieser Logik ist selten, aber manchmal zu sehen: In Deutschland z. B. gilt für die öffentliche Hand seit einigen Jahren eine "Schuldenbremse", an die sich die Regierung (noch) hält. Doch die fünf "Wirtschaftsweisen" werfen ihr jetzt auf einmal vor, dass diese zu rigide sei und die Gefahr besteht, dass man das Land kaputt spart. Tatsächlich steckt die einstige Konjunkturlokomotive Europas in einer Rezession. Na dann....




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