Für manche mag es "ganz normal" sein, für andere ist es "widerlicher Postenschacher". Überall dort, wo die öffentliche Hand in der Eigentümerschaft ist, bestimmen die politischen Parteien, wer dort einzieht. Das führt oft zu kuriosen, immer wieder zu inkompetenten, häufig zu höchst ungerechten Besetzungen. Auch vernünftige Entscheidungen mögen mitunter dabei sein. Typisch Österreich ist, wer sich da aller zu Wort meldet. Wenn die ÖVP das Sagen hat, mischen auch die von ihr dominierten Bundesländer mit. Bei der SPÖ reklamiert der Gewerkschaftsflügel regelmäßig seine Kandidaten hinein.
Ein verlässliches Spiegelbild der aktuellen Machtverhältnisse in unserem Land ist die Oesterreichische Nationalbank (OeNB). Im Aufsichtsgremium, dem "Generalrat", sitzen zehn Kapitalvertreter, an der Spitze der "Präsident". Das operative Management ("Direktorium") wird vom "Gouverneur" angeführt, der unser Land auch bei der EZB in Frankfurt vertritt und dort Sitz und Stimme hat. In früheren "großkoalitionären" Zeiten galt das ungeschriebene Gesetz, das einem "schwarzen" Gouverneur ein "roter" Präsident gegenübersteht. So war es zu Beginn des Jahrtausends mit Klaus Liebscher (VP/Gouverneur) und Adolf Wala (SP/Präsident). Als die SPÖ ab 2008 wieder den Bundeskanzler stellte, wurde getauscht: Der Wirtschaftsprofessor Ewald Nowotny (SP) beerbte Liebscher, der frühere Top-Manager Claus Raidl wurde Präsident. Es gab zwei rote und zwei schwarze Direktoren.
"Rote raus" nach Türkis-Blauer Machtübernahme
Der große Umbruch kam mit der Regierung Kurz/Strache 2018. Das Motto hieß: "Rote raus aus der OeNB". In Generalrat und Direktorium wurden sämtliche SP-nahe Vertreter abgelöst. Da die FPÖ in ihren Reihen kaum Vertreter mit Finanzmarkt-Kompetenzen hat, nominierte sie den früheren Weltbank-Direktor Robert Holzmann, der auf einem blauen Ticket Gouverneur wurde. Mit Eduard Schock kam ein zweiter FPÖ-Mann, die schwarzen bzw. türkisen Mandaten gingen an den Volkswirt Gottfried Haber und Thomas Steiner. Nun konnte niemand ahnen, dass diese Regierung kurz als Folge der Ibiza-Affäre zerbrach. Nach den Wahlen folgte bekanntlich Türkis-Grün.
Jetzt müssen alle FPÖ-nahen Vertreter wieder gehen
Dummerweise hatten alle in der OeNB laufende Verträge, in die man nicht eingreifen konnte. Das schmerzte vor allem die Grünen. Als "Ersatz" reklamierten sie einen der beiden Vorstandsjobs in der FMA (Finanzmarktaufsicht) für sich. Als der Vertrag des roten Vorstandes Helmut Ettl auslief bzw. zur Verlängerung anstand, wollte sie ihn durch den Kogler-Vertrauten Josef Meichenitsch ersetzen. Doch formell zuständig für das Mandat Ettls bei der FMA ist die OeNB, die auch die Hälfte des Aufsichtsrates stellt. Haber und Holzmann stellten sich taub für die Zurufe aus der türkisen Reichshälfte und verlängerten den Vertrag des "roten" Ettl, der seit 2008 FMA-Vorstand ist und sowohl im Inland als auch in internationalen Gremien als anerkannter Experte gilt. Meichenitsch wurde in der OeNB "geparkt".
Denn 2025 laufen die Verträge des OeNB-Direktoriums aus. Im Generalrat kam es schon letztes Jahr zu Veränderungen. Das neue Motto lautete diesmal: Blaue raus, Grüne und Rote rein. Das man nun SPÖ-Vertreter wieder in die Notenbank-Gremien aufnahm ist ein klares Zeichen für den politischen Umbruch, der sich abzeichnet: Wenn man nach den Neuwahlen im September ohne die FPÖ regieren will, wird man die SPÖ brauchen. Da kann es nicht schaden, ein paar freundliche Gesten zu setzen. Also zogen bereits SP-nahe Vertreter wie ÖGB-Geschäftsführerin Ingrid Reischl in den Generalrat (als Vizepräsidentin) ein.
Allianz aus Schwarz, Rot und Grüne bei den Neubesetzungen
Dieses Spiel setzt sich jetzt bei der Neubesetzung des Direktoriums fort. Dass Holzmann (75) keine Vertragsverlängerung anstrebte, machte die Sache leichter. Der nächste Gouverneur wird der VP-nahe Wissenschaftler und aktuelle Wirtschaftsminister Martin Kocher. Seine Kompetenz ist unbestritten. Doch bei den übrigen Besetzungen des Direktoriums folgt man der gleichen Logik wie beim Generalrat: Der letzte Blaue, Eduard Schock, muss gehen. Es fällt aber jeweils ein Sitz an die Grünen (Meichenitsch) und die SPÖ, somit bleibt nur ein Platz für den zweiten ÖVP-Vertreter. Hier war Insidern klar, dass Thomas Steiner (sein Bruder Stefan Steiner galt als einer der engsten Kurz-Berater) als gesetzt gilt. Er soll die in der Partei aktuell sehr dominante ÖVP-NÖ hinter sich haben. Mit Gottfried Haber braucht jetzt ein anerkannter Finanzmarkt-Experte, der als Vize-Gouverneur hohes Ansehen genoss, als Opfer der Partei-Taktiken einen neuen Job. Manche sagen auch, dass es die Rache gewisser ÖVP-Kreise war, weil Haber der Ablöse von Ettl in der FMA nicht zugestimmt hat.
Rechtzeitig vor der Wahl wurden Fakten geschaffen
Die Haupt-Aufgaben der OeNB sind die Finanzstabilität und die Geldpolitik. Zweiteres ist seit Einführung des Euro Sache der EZB, bei der die OeNB Mitglied ist und eine Stimme im hat. Eigentümer der Nationalbank ist die Republik Österreich zu 100%. Formell müssen Neubesetzungen im Management ausgeschrieben werden, und der Aufsichtsrat (Generalrat) entscheidet das, was vorher politisch ausgemacht wurde. Obwohl die Mandate von Holzmann & Co. noch bis 2025 laufen, hat man die Bestellung der Nachfolger sehr rasch jetzt durchgezogen. Denn unabhängig davon, wie die Wahlen im September enden, hat man bei der OeNB (politische) Fakten geschaffen und für die nächsten Jahre einzementiert.
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