Arbeitskräftemangel ist eines der Schlagworte, das uns bereits seit Jahren begleitet. Selbst in einer Phase, in der sich Rezession mit Stagnation in der Wirtschaft abwechseln, suchen Betriebe händeringend nach Fachkräften. Eine Ursache - und mir ist schon klar, dass es nicht die einzige ist - liegt darin, dass wir in Österreich eine seltsame "Pensionskultur" aufgebaut haben. Firmen bauten früher und zum Teil noch heute (etwa Banken) ältere Mitarbeiter radikal ab, weil sie zu teuer waren. Arbeitnehmer nahmen dankend "goldene" Handshakes an, Hauptsache sie konnten früher in Pension gehen. Doch das Know-How eines 55- oder 60-jährigen Facharbeiters ist viel wert, das haben mittlerweile auch viele Arbeitgeber erkannt. Es ist bei den herrschenden Rahmenbedingungen allerdings nicht leicht, diese im Betrieb zu halten.
Jeder, der mit 60 noch arbeitete, wurde früher müde belächelt
Es hat sich schon etwas geändert in den letzten 40 Jahren. Zu der Zeit, als wir Babyboomer unsere Matura machten, wurde jeder, der mit 60 in Österreich noch gearbeitet hat, müde belächelt. Eisenbahner, Postler, Bankangestellte, Beamte hatten großzügige Regelungen, die es einem mit knapp über 50 ermöglichten, in den – angeblich wohlverdienten - Ruhestand zu gehen. Sie erhielten genug Geld, um von der „Pension“ leben zu können. Einen Begriff wie „Abschläge“ kannte man damals gar nicht.
Heutzutage muss zwar jeder den Rechenstift zücken, wenn er gesund ist und vor dem gesetzlichen Antrittsalter (65 bei Männern, fast 61 bei Frauen) gehen will. Viele tun es trotzdem. Denn noch immer wird viel dafür getan, dass man möglichst bequem in Frühpension gehen kann. Das gilt sowohl für die Politik als auch für Arbeitgeber, die glauben, dass sie mit billigeren und jüngeren Mitarbeitern auskommen. Doch in Wahrheit wird der latente Mangel an Arbeitskräften so noch künstlich verstärkt.
Das Kuriose dabei ist, dass der Gesetzgeber das noch künstlich verstärkt. Es gibt in der Praxis viele Hemmnisse und Nachteile, wenn man weiterhin oder gar über das Antrittsalter hinaus beruflich aktiv sein will. Der Bedarf ist vorhanden, nicht nur weil Ältere mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung oft mehr bringen als jüngere Mitarbeiter. Das haben auch schon die Politiker erkannt und versprochen, die Rahmenbedingungen für das längere Arbeiten zu verbessern. In der Praxis ist noch nicht viel passiert, im Gegenteil.
Bürokratische Hindernisse für Ältere, die noch tätig sein wollen
Kommen wir zu ein paar typischen Beispielen, wo die aktuelle Gesetzeslage Ältere diskriminiert:
Fall 1:
Herr Robert B., ein versierter Facharbeiter wird mit 62 von seiner Firma abgebaut. Er will aber weiterarbeiten und bewirbt sich um einen neuen Job, Teilzeit würde für ihn genügen. Das ist in dem Alter nicht so einfach. Macht ja nichts, denkt er sich, inzwischen kann er ja zur Überbrückung Arbeitslosengeld beziehen, immerhin hat er fast vierzig Jahre einbezahlt. Die böse Überraschung kommt dann beim AMS: Der Antrag auf Arbeitslosengeld wird abgelehnt. Die Begründung lautet, dass unser Mann bereits pensionsberechtigt ist und daher eine Korridorpension beantragen kann. Der Nachteil: Er hat hohe Abschläge (4% pro Jahr). Sobald er wieder Arbeit bekäme (und mehr als die geringfügigen 518,44 Euro im Monat verdient), „ruht“ die Korridorpension. Sie lebt dann spätestens mit 65 wieder auf. Allerdings bleiben die Abschläge, die hat er sein Leben lang.
Fall 2:
Kurz vor dem Pensionsantritt entscheidet sich Johann F., seine Firma zu verlassen und in die Selbständigkeit zu wechseln. In der Zeit bis zum Pensionsantritt werden nun keine neuen Beiträge mehr bei der PVA eingezahlt. Herr F. Kann sich sogar vorstellen, ein bisschen länger als bis 65 tätig zu sein. Dazu muss er sich jetzt einmal bei der SVS, der Selbständigen-Kasse, versichern. Der Pensionsbeitrag beträgt 18% vom Gewinn. Blöderweise dauert es 15 Jahre, die man einzahlen muss, um von der SVS eine Pension zu bekommen! Solange wird Herr F. Wohl kaum noch weiterarbeiten. Auf seine PVA-Pension hingegen wirkt sich seine selbständige Tätigkeit überhaupt nicht aus. Er zahlt also bei der SVS völlig umsonst ein.
Fall 3:
Umsonst einzahlen kann man auch bei der PVA, wenn man nach dem gesetzlichen Antrittsalter noch weiter unselbständig erwerbstätig tätig ist und sich seine Pension schon auszahlen lässt. Denn man muss weiter Pensionsbeiträge einzahlen (der Arbeitgeber auch). Seniorenvertreter laufen gegen diese Regelung schon lange Sturm. Eine Änderung wurde versprochen, aber bis jetzt nicht umgesetzt. Zwar erhöht sich der Pensionsanspruch, wenn man über 65 ist, weiter arbeitet und ´die Rente noch nicht beziehen will. Der Anreiz ist aber zu gering, da es finanziell attraktiver ist sich die Pension auszahlen zu lassen, obwohl diese dann gemeinsam mit dem Gehalt versteuert wird und zu einer höheren Steuerprogression führt.
"Best Ager" werden am Arbeitsmarkt immer stärker nachgefragt
Diese Hürden vermiesen all jenen, die sich noch rüstig genug fühlen, um zu arbeiten, den Übergang in ein Berufsleben nach der offiziellen Pension. Dabei steigt der Bedarf für diese "Best Ager" ständig: Denn demographisch bedingt zieht sich mittlerweile ein Arbeitskräftemangel durch alle Branchen, der in den kommenden Jahren noch schlimmer werden wird. Die Zuwanderer, die die Lücken in der Arbeitswelt füllten, sind weniger geworden. Das liegt zum einen daran, dass sie in ihren (osteuropäischen) Heimatländern ebenfalls gebraucht werden und dort besser verdienen als früher. Zum anderen hat in Westeuropa ein Wettbewerb um die besten Fachkräfte eingesetzt, bei dem Österreich mit seiner überbordenden Bürokratie nicht die besten Karten hat. Dazu kommen noch jene, die sich im Sozialstaat außerordentlich wohlfühlen. Immer wieder hört man von Firmen über Bewerber, die behaupten, dass sie zwar arbeiten würden, aber nur „geringfügig“ angemeldet werden wollen. Der Grund ist, dass sie auf jeden Fall ihr Arbeitslosengeld unf andere Sozialleistungen weiter kassieren möchten...
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