Sieben große Verhandlungsgruppen, jede Menge Experten von drei Parteien. Österreich startet den Versuch, eine neue Regierung zu bilden. Doch verdächtig wenig hört man von dem Thema, das eigentlich vor kurzem noch ganz vorne auf jeder Agenda stand: Was ist aus dem versprochenen Bürokratieabbau geworden? Verschoben? Vergessen? Vielleicht braucht Österreich auch einen wie Elon Musk in den USA (aber bitte nicht so exzentrisch!), der als Berater der Regierung die Strukturen durchforsten soll.
Welch dramatische Folgen die permanente Lähmung der Wirtschaft durch den Staat hat, zeigt ein Beispiel (aus Deutschland), das genauso gut bei uns passieren kann: Ein Maschinenbauunternehmen bekam vier (!) Jahre lang keine Baugenehmigung für ein gekauftes Grundstück neben seiner Fabrik. Mit dem Argument "fehlender Gutachten" wurde man von den Behörden hingehalten. Daraufhin beschloss der Eigentümer, den Betrieb in ein anderes Land zu verlagern. In einer Kleinstadt in Italien hat der Bürgermeister binnen sieben Wochen den Neubau genehmigt und freut sich jetzt über eine größere Betriebsansiedlung.
Die Industrie beginnt bereits abzuwandern oder kommt gar nicht
Die industrielle Abwanderung wegen zuviel Bürokratie, Fachkräftemangel, teurer Energie und zu hoher Steuern ist auch in Österreich bereits im Gang. Wie man heutzutage neue Betriebe in seine Region bringt, wenn man sie unbedingt haben will, sieht man in den USA: Eine Firma aus Europa entschied sich, in die Nähe von Chicago umzusiedeln. Dort gibt es aktuell drei Jahre Steuerfreiheit, drei Jahre Befreiung vom Arbeitgeberanteil an der Lohnsteuer und drei Jahre gratis Energie. In der EU würde so etwas wohl als "verbotene Beihilfe" gelten. Doch man wird ich etwas Neues einfallen lassen müssen, um die Abwanderung der Industrie zu verhindern.
Was sogar innerhalb der EU legal passiert, sind Verlagerungen in den Osten Europas, die aus (Personal-) Kostengründen stark zugenommen haben. Auch Indien und China gelten als attraktive Standorte. Immer wieder hört man, dass Europa seine Wirtschaft zu Tode reguliert und zuwenig dagegen unternimmt, dass seine Standorte für Produktionen nicht mehr attraktiv sind.
19 Stunden in der Woche wendet ein Unternehmer nur für Bürokratie auf
Geredet wird zwar viel vom Bürokratieabbau, doch ständig kommen neue Verordnungen dazu. Nicht immer ist "Brüssel" daran schuld, aber oft: Das Lieferkettengesetz, bei dem jeder Betrieb sich darum kümmern soll, ob Menschenrechten und Umweltstandards von seinen Lieferanten eingehalten werden, hat gute Chancen, zum "Bürokratiemonster des Jahres" zu werden. Auch Österreich bastelt ständig an neuen Ärgernissen: So soll man künftig jedes Monat eine Energierechnung bekommen, damit man die Preisveränderungen besser sieht. Dabei ändern sich Netzgebühren und Steuern da ganze Jahr über nicht und viele Anbieter geben eine Preisgarantie. Wozu muss man dann 12x im Jahr an alle Kunden Mails oder Zettel verschicken?
Kleine Gewerbebetriebe entlasten, indem sie nicht jede Kleinigkeit schriftlich dokumentieren müssen, war auch ein Thema im Wahlkampf. Mittlerweile hört man verdächtig wenig darüber. Dabei müssen die KMUs müssen laut einer Studie jetzt schon 19,3 Stunden pro Woche dafür aufwenden, um behördliche Auflagen oder überschießende Richtlagen zu erfüllen! Laut WKO-Umfrage ist der Bürokratieaufwand in den letzten drei Jahren für sechs von zehn Unternehmern angestiegen.
Genehmigungen, die Jahrzehnte (!) dauern, sind bei uns keine Seltenheit. Es gibt zwar schon Versuche zur "Verfahrensbeschleunigung". Doch in der Praxis hat sich nicht wirklich viel geändert. Der berühmte Satiriker Ephraim Kishon hat es humorvoll auf den Punkt gebracht: "Von allen Plagen, mit denen Gott der Herr unser Wirtschaftsleben heimsucht, ist die Bürokratie die weitaus schlimmste. Die Bürokratie ist nicht etwa ein Versagen der Regierung. Das glauben nur die Optimisten. Die Bürokratie ist die Regierung selbst."
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